Meinung

Antisemitismus: Von wegen Rückgang!

Anna Geuchmann Foto: Gregor Zielke

Ich bin 25 Jahre alt, studiere in Berlin und bin ukrainische Jüdin, aber ich bin vor allem eines: deutsche Staatsbürgerin. Ich fühle mich als vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft. Antisemitische Ressentiments sind mir in meinem Umfeld kaum begegnet. Die vergangenen Wochen aber haben mich zum Nachdenken gebracht.

Freie Meinungsäußerung zu politischen Konflikten gehört zu einer funktionierenden Demokratie, aber Angriffe auf Synagogen wie in Wuppertal, Dresden und Essen sind keine Ausübung demokratischer Rechte, sondern gewalttätige Angriffe auf die jüdische Minderheit in Deutschland. »Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf’ allein!« – Parolen wie diese auf den Straßen Berlins, das war für mich bis vor Kurzem noch völlig unvorstellbar. Ich schäme mich für die Stadt, die ich so schätze und vor vielen anderen favorisiere.

anstieg Die »taz« berichtete am Samstag von einem statistischen Rückgang antisemitischer Übergriffe im Vergleich zum Vorjahr und fragte in der Überschrift: »Nur ein gefühlter Anstieg?« Die Zahlen, die hier zur Relativierung präsentiert werden, beziehen sich auf antisemitische Straftaten, also Delikte, die von der Justiz verfolgt werden.

Ich möchte der Einschätzung eines abnehmenden Antisemitismus widersprechen, ohne mich auf Zahlen zu berufen, sondern auf mein Gefühl. Statistiken können nur allgemeine Trends wiedergeben, jedoch können sie nicht qualitativ die Wahrnehmung der Betroffenen analysieren. Antisemitische Hetze, die sich mit Antikriegsrhetorik vermischt, verletzt mich persönlich, und die (Nicht-)Reaktion der Polizei verletzt mich noch viel mehr.

kritik Für mich macht es keinen Unterschied, ob Antisemitismus im linken oder rechten Milieu entsteht oder aber von türkisch-arabischen Stimmen zu hören ist. Eines ist leider sicher: Der von mir empfundene Antisemitismus ist alles andere als im Rückgang. Ich assoziiere mit Deutschland ein Zuhause, und zu Hause kann man kritisiert werden, aber Familie greift nicht an.

Ich bin dagegen, dass Extremismus die Meinungsführung übernimmt, und deswegen schreibe ich diesen Kommentar, während ich an der »Muslim Jewish Conference« in Wien teilnehme. Denn erst, wenn nicht nur Juden, sondern auch Muslime sich mit Rassismus und Antisemitismus beschäftigen, und zwar gemeinsam, kann dieser Hass langfristig überwunden werden.

Die Autorin studiert Politische Kommunikation in Berlin und ist ELES-Stipendiatin.

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Deutschland

Massive Proteste gegen neuen AfD-Nachwuchs 

Die AfD organisiert ihren Nachwuchs - Gießen erlebt den Ausnahmezustand. Zehntausende haben sich nach Mittelhessen aufgemacht, um die Gründung der Generation Deutschland zu verhindern

von Christian Schultz  30.11.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  30.11.2025

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 01.12.2025 Aktualisiert

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025