Berlin

An der Seite Israels

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und mehrere Hundert Teilnehmer auf dem Gedenkweg in Berlin vom Breitscheidplatz zur Fasanenstraße Foto: Stephan Pramme

Der Jahrestag des Terrorangriffs auf Israel begann am Montagmorgen in Berlin mit einer Lesung der Namen der rund 1200 Opfer des 7. Oktober 2023 am Brandenburger Tor. Viele dieser Namen wurden am Abend auf die Fassade des Jüdischen Gemeindehauses in der Fasanenstraße projiziert, wo der Abschluss einer zentralen Gedenkveranstaltung stattfand.
Mit einem interreligiösen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und einem stillen Gedenkweg wurde dabei an die Opfer des Massakers der Hamas erinnert.

Eingeladen hatten die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde, dem Erzbistum Berlin sowie dem Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin. Die Initiative kam von Bischof Christian Stäblein. Den Gottesdienst gestaltete er unter anderem mit Rabbiner Andreas Nachama, Erzbischof Heiner Koch und Imam Kadir Sanci.

Bischof Stäblein versicherte, dass man an der Seite Israels stehe. Er sprach vom Leid in Israel, aber auch von dem in Gaza und im Libanon. Der Bischof machte allerdings deutlich: »All das Leid wird verantwortet von der Hamas und der Hisbollah.« Für ihn stehe das Denken an die Menschen im Vordergrund, die weiter als Geiseln verschleppt wurden und gefoltert werden.

Stäblein begrüßte mit »Schalom uwracha«, Frieden und Segen, unter anderem die Präsidentin des Bundestages, Bärbel Bas, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, Israels Botschafter Ron Prosor, den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, und allen voran Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Ein Schriftzug lautete: »Zusammen gegen Antisemitismus. Für ein weltoffenes und tolerantes Berlin«

Dieser betonte in seiner Ansprache nach dem Gottesdienst die Verantwortung, an der Seite Israels zu stehen, wenn die Heimstatt von Jüdinnen und Juden angegriffen werde und die Sicherheit Israels bedroht sei. Steinmeier sagte: »Wir vergessen die Menschen nicht, die an diesem Tag ihr Leben verloren haben. Wir denken an die, die gelitten haben und bis heute leiden.«

Zugleich sei zu spüren, dass im Krieg in Nahost die Prinzipien, die Deutschland leiten, auf eine schmerzhafte, auch widersprüchliche Realität stoßen. Die Fragen werden lauter, drängender, auch die öffentliche Debatte darüber, »wo die Grenzen jedes Rechts auf Selbstverteidigung liegen«, erklärte der Bundespräsident. Doch darüber dürfe nicht der Kompass verloren gehen. Steinmeier verurteilte die Bedrohung von Juden in Deutschland. Auch die Forderung auf Demonstrationen nach einem Nahen Osten ohne Israel sei Antisemitismus und niemals zu dulden.

Im Anschluss begab sich der Bundespräsident mit den mehreren Hundert Teilnehmern auf den Gedenkweg vom Breitscheidplatz zur Fasanenstraße. Alle versammelten sich hinter dem Spruchband mit dem Schriftzug »Zusammen gegen Antisemitismus. Für ein weltoffenes und tolerantes Berlin«. Einige Hundert Meter ging es über den Kurfürstendamm. Vor dem Jüdischen Gemeindehaus begrüßte der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe die Gäste, darunter auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Zur selben Zeit strahlte »Bring them home now« am Brandenburger Tor.

Botschafter Ron Prosor sagte, Solidarität mit Israel sei in diesen Tagen wichtiger denn je. So dankte er denjenigen, »die echte Freunde sind, die an der Seite Israels stehen«. Aber er fand auch kritische Töne. »Wir sehen hier nicht nur Antisemitismus der Muslime, sondern auch jenen aus der Mitte der Gesellschaft, rechten und linken Antisemitismus.«

Die deutsche Gesetzgebung müsse bei der Definition der roten Linie zwischen Meinungsfreiheit und Aufhetzung nachsteuern, meinte Prosor. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, machte in seiner Rede deutlich, dass es ihm nicht leichtfalle, diesen Jahrestag zu begehen. Dieser führe vor Augen, »dass Trauer ein täglicher Kampf mit einer neuen Realität ist, die wir uns nicht ausgesucht haben. Einer Realität, in der die geballte Kraft des Verlustes eines Menschenlebens spürbar ist«.

Alon Gat stockte die Stimme, als er sagte: »Ich bin voller Schmerz und fühle mich verloren.«

Die jüdische Gemeinschaft könne die Trauerzeit nicht abschließen, solange sich noch Geiseln in den Händen der Hamas befinden. Für viele Jüdinnen und Juden sei vor einem Jahr die Zeit an diesem dunklen Tag stehen geblieben, sagte der Zentralratspräsident. »Doch die Uhren laufen weiter. Für die Geiseln und die Menschen in Gaza tun sie es in einem schrecklichen Takt. Für die Befreiung der Geiseln zu kämpfen, ist ein menschliches Anliegen.«

Bevor zum Abschluss die Hatikwa erklang, wandte sich noch Alon Gat an die Anwesenden, Überlebender des 7. Oktober. Er war an jenem Tag zu einem Familienbesuch in Beeri, als die Terroristen der Hamas auch diesen Kibbuz überfielen. Dabei wurde seine Mutter verschleppt und ermordet, er und seine kleine Tochter Geffen konnten in letzter Minute entkommen. Seine Frau Yarden wurde nach 54 Tagen aus der Geiselhaft befreit und seine Schwester Carmel nach elf Monaten in den Tunneln der Hamas brutal ermordet.

Alon Gat stockte die Stimme, als er sagte: »Ich bin voller Schmerz und fühle mich verloren.« Doch er habe auch viel Hoffnung. Er wisse, dass es möglich sei, dass die verbliebenen 101 Geiseln so schnell wie möglich nach Israel zurückkehren können. »Das Böse, das mich zu dieser Traurigkeit, zu diesem Schmerz gebracht hat, ist das Böse, dem wir uns entgegenstellen müssen«, erklärte er. Etwa zur gleichen Zeit wurde am Montagabend das Brandenburger Tor in den weiß-blauen Farben der israelischen Flagge angestrahlt. Zudem war auf dem Berliner Wahrzeichen der Schriftzug »Bring them home now« zu lesen.

Urteil

Sicherungsverwahrung nach Brandanschlag auf Oldenburger Synagoge

Der Mann hatte die Tat eingeräumt und von »Stimmen« berichtet, die ihn zu dem Brandanschlag aufgefordert hatten

 16.06.2025

Brüssel

EU-Chefdiplomatin organisiert Krisenschalte zu Nahost-Krieg

Kann die EU einen Beitrag zur Deeskalation des Konflikts zwischen Israel und dem Iran leisten? Am Dienstag soll es eine Videokonferenz der zuständigen Außenminister geben

 16.06.2025

Nahost

Krieg gegen Iran: EU will mit USA Energiemarkt sichern

Seit dem Angriff Israels auf das iranische Atomprogramm steigen die Rohölpreise und in der Folge die Sprit- und Heizölpreise. Die EU und die USA sind alarmiert - und wollen notfalls handeln

 16.06.2025

Berlin

Karin Prien: »Ich gestatte mir keine Ängstlichkeit«

Die Bundesbildungsministerin spricht in einem Interview über ihre jüdischen Wurzeln. Und geht bei manchen Themen auf Distanz zu ihrem Parteivorsitzenden

von Alexander Missal  16.06.2025

Iran

Iran: Geheimdienstchef der Revolutionsgarden und sein Vize getötet

Israel hat seit Beginn des Krieges mit dem Iran bereits etliche führende Militärs getötet. Nun sind bei einem weiteren Angriff Geheimdienstvertreter der nationalen Eliteeinheit getötet worden

 15.06.2025

Berlin

Merz sagt Israel Hilfe zu und bekennt: Iran darf niemals über Atomwaffen verfügen

Deutschland wappne sich zudem für den Fall, dass der Iran israelische oder jüdische Ziele hierzulande ins Visier nehmen sollte

 15.06.2025

Verbraucher

Krieg zwischen Israel und Iran treibt Benzinpreis

Seit dem Angriff auf iranische Atomanlagen und Militärziele steigen die Rohölpreise und in der Folge auch die Spritpreise

 15.06.2025

Diplomatie

Außenminister Wadephul spricht mit israelischem Kollegen Saʼar

Statt des für heute geplanten Besuchs in Jerusalem telefonieren die beiden

 15.06.2025

Doha

Krieg zwischen Israel und Iran: Wadephul will »Kompromiss« finden

Innerhalb der nächsten Woche müsse der ernsthafte Versuch unternommen werden, »die Spirale der Gewalt« zu unterbrechen, sagt der Bundesaußenminister

 15.06.2025