Meinung

Wie das Ende eines Alptraums, der fünf Jahre gedauert hätte

FPÖ-Chef Herbert Kickl Foto: picture alliance / Georges Schneider / picturedesk.

Liest man sich durch die Kommentarspalten von Tweets der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH), findet man unter den hunderten hetzerischen und antisemitischen Nachrichten vor allem auch folgende: »Die FPÖ ist der einzige effektive Schutz jüdischen Lebens in Österreich. Euer Feind ist nicht Deutsch. Er ist islamistisch!«

Auch wenn ich mir der Gefahr von islamistischem Antisemitismus durchaus bewusst bin, muss ich solche X-User in ihre Schranken weisen. Wer meint, die 1955 von Anton Reinthaller – SS-Brigadeführer und Träger des Goldenen Parteiabzeichens der NSDAP – gegründete Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), sei in irgendeiner Hinsicht Schutzpatron der jüdischen Gemeinde oder Heilsbringer im Kampf gegen Antisemitismus, ist realitätsfremd.

Auch 70 Jahre später lassen die »Freiheitlichen« jede glaubwürdige und endgültige Abgrenzung von NS-Gedankengut vermissen. Dabei ist nicht nur von nationalsozialistischen »Ausrutschern« kleiner FPÖ-Lokalpolitiker:innen die Rede, sondern von einer übergreifenden Parteilinie, die bis in die Parteispitze ragt. Herbert Kickl titelt sich selbst als »Volkskanzler«, wie einst Adolf Hitler, verglich in der Vergangenheit Corona-Maßnahmen mit der NS-Zeit und lehnt eine kollektive Verurteilung der Waffen-SS ab.

Auch wird nach einer Anzeige der JöH derzeit gegen drei FPÖ-Parlamentarier wegen des Verdachts auf NS-Wiederbetätigung ermittelt, die dabei gefilmt wurden, wie sie mutmaßlich das »SS-Treuelied« auf einer Burschenschafter-Beerdigung sangen. An dieser Stelle dürfte es auch niemanden überraschen, dass die FPÖ vor zwei Jahren als einzige gegen eine Verschärfung des Strafmaßes für nationalsozialistische Vergehen (»Verbotsgesetz«) gestimmt hat. Zweifelsfrei schützt also die FPÖ nicht »jüdisches Leben« in Österreich, sie ist dessen größte Gefahr.

Lesen Sie auch

Eine Russland-Nahe FPÖ in der Regierung unter einem Kanzler Kickl, der 2018 als Innenminister rechtswidrig den österreichischen Verfassungsschutz durchsuchen ließ, wäre für die österreichische Republik ein absolutes Sicherheitsdebakel gewesen. Dieses hätte sich in weiterer Folge und in besonderem Maße auf die jüdische Gemeinde ausgeweitet, die in Sicherheitsfragen enorm auf den österreichischen Staat angewiesen ist.

Allerlei Hinweise auf einen vermeintlich Israel-freundlichen Kurs der FPÖ (der selbst auch nicht besonders freundlich ist), oder ihrer Teilhabe an der Errichtung eines Shoah-Denkmals sind nichts weiter als Blendgranaten, die auch mit Blick auf die geleakten Verhandlungsprotokolle zwischen FPÖ und der Volkspartei (ÖVP) verblassen. Darin spricht sich die FPÖ gegen die Errichtung eines Holocaust-Museums, einer »besonderen historischen Verantwortung« Österreichs und einem »Bekenntnis zu Israel als jüdischen und demokratischen Staat« aus. Das Platzen der Koalitionsgespräche bedeutet in allen Hinsichten das Erwachen aus einem Albtraum, vor dem man dachte, dass er die nächsten fünf Jahre andauern würde. Es ist eine gute Nachricht für die Zukunft der österreichischen Demokratie und damit auch für die in ihr lebenden jüdischen Gemeinde.

Der Autor ist Präsident des Verbands Jüdischer Österreichischer HochschülerInnen.

Porträt der Woche

Historikerin aus Leidenschaft

Shiran Shasha forscht zu antiken Gärten und sammelt Geld für eine Synagoge auf Kreta

von Gerhard Haase-Hindenberg  03.08.2025

Frankreich

Sie feierte den 7. Oktober - und bekam doch ein Stipendium

Eine 25-jährige Palästinenserin wurde aus Gaza nach Frankreich gebracht, wo sie einen Master-Studiengang absolvieren sollte. Doch dann wurden ihre antisemitischen Posts auf X bekannt

von Michael Thaidigsmann  01.08.2025

Justiz

Jüdische Organisationen fordern von Israel Gesetz gegen weltweiten Antisemitismus

In einem Brief an Justizminister Yariv Levin verlangen sie, das Judenhass und die Verfolgung israelischer Soldaten auch außerhalb Israels unter Strafe gestellt werden

 01.08.2025

Nach Festnahme bei Festival

Belgische Staatsanwälte treten Ermittlungen gegen Israelis ab

Zwei Soldaten waren in Belgien festgenommen und verhört worden, bevor sie wieder frei kamen. Jetzt haben die Ermittler den Fall an den Internationalen Strafgerichtshof übergeben

 31.07.2025

Vor 100 Jahren

Als der Ku-Klux-Klan durch Washington marschierte

Vor 100 Jahren sahen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus anders aus als heute in der Ära Trump: Im August 1925 versammelte sich der Ku-Klux-Klan zu seinem größten Aufmarsch in der US-Hauptstadt Washington

von Konrad Ege  31.07.2025

Jemen

Eine der letzten Jüdinnen Jemens geht nach Israel

Mit Badra Ben Youssef hat ein letztes Mitglied der jüdischen Gemeinschaft den Jemen verlassen. Möglicherweise ist nur noch ein Jude im Land, ein Gefangener der Huthi-Rebellen

 31.07.2025

USA

Von Sammlern und Buchschmugglern

Das YIVO in New York feiert sein 100-jähriges Jubiläum mit einer Sonderausstellung. Das Institut bewahrt die jiddische Kultur und pflegt ein beeindruckendes Archiv. Ein Besuch

von Jörn Pissowotzki  31.07.2025

Spanien/Frankreich

Was geschah an Bord von Flug VY 8166?

Nach dem Auschluss jüdischer Jugendlicher von einem Flug erheben französische Minister schwere Vorwürfe gegen die spanischen Behörden und die Fluggesellschaft Vueling

von Michael Thaidigsmann  30.07.2025

Longevity

Für immer jung?

Die ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel outet sich als Hypochonderin und beschreibt, warum man niemals zu alt ist, sich Gedanken übers Älterwerden zu machen

von Andrea Kiewel  29.07.2025