Kommentar

Was der Gewalttat vorausging

Mascha Malburg Foto: Marco Limberg

In Berlin hat am Dienstag der Prozess gegen Mustafa A. begonnen. Er ist angeklagt, seinem Kommilitonen, dem jüdischen Studenten Lahav Shapira, im Februar 2024 mit einem Tritt das halbe Gesicht zertrümmert zu haben. Shapira erlitt eine Hirnblutung, er hätte auch sterben können. Es ist leicht, im Entsetzen über die Brutalität des Angriffs zu verharren. Doch woher kam dieser Hass? In der Schilderung des Angeklagten: aus dem Nichts. Eine Kurzschlussreaktion, plötzliche Emotionen. Die Nachrichten in den Chatgruppen, in denen sich Mustafa und Lahav bereits Monate vorher begegnen, sprechen eine andere Sprache. 

Fast exemplarisch zeigen die bei Gericht vorgelegten Screenshots, wie Shapira in Uni-Chats, in denen sich eigentlich Lehramtsstudierende austauschen sollen, dämonisiert wird. Es wird öffentlich gemacht, dass er Jude ist, einer von denen, »die die Welt regieren«. Ein »Zionist, der bei jeder Demo dabei ist, um alles zu zerstören«, der »sich als Opfer darstellt«.

Im Unichat heißt es vorher, Lahav verdiene »mies Schläge«

Lahav Shapira ist ein Jude, der sich nicht alles gefallen lässt. Der als Chat-Moderator Nachrichten löscht und Personen entfernt, die Antisemitismus verbreiten. Der auch mal gereizt reagiert. Er reißt an der Uni Plakate ab, die sein Geburtsland Israel diffamieren. Dafür, so schreibt einer im Uni-Chat, verdiene er »mies Schläge«.

Einer, der hier nur mitliest, wird diesen Hass später in Gewalt umsetzen. Kurz bevor er zuschlägt, spricht Mustafa A. Shapira auf die Plakate an. Später erklärt er vor Gericht: »Mir ging es nicht um Politik, sondern mehr um meine Kommilitonen.« Ihm habe der Umgangston von Lahav Shapira nicht gepasst. Dieser widerspreche seinem Bild »von einem toleranten Miteinander und einer fairen Gesellschaft«. Mustafa A. als Held, der den friedlichen Rest von dem störenden Juden befreit?

Das wohl entscheidende Bildmaterial findet die Polizei später auf dem Handy des Angeklagten. Es ist ein kurzes Video vom Tatort. A. selbst oder ein Dritter hat es mit einem Text versehen: »Musti hat diesen Judenhurensohn totgeschlagen.« So klingt Vernichtungswille im Jahr 2024.

Essay

Aufstand der Moralapostel

Mehr als 360 deutsche Künstler haben sich zum Gaza-Krieg positioniert und Sanktionen gegen Israel gefordert. Sie spielen das Spiel der Hamas

von Louis Lewitan  06.08.2025

Meinung

Die drei fatalen Fehler Israels in Gaza

Israel steht auf der richtigen Seite der Geschichte. Doch als Zionist treibt einen manches um, was dem jüdischen Staat und seiner Reputation schadet

von Daniel Neumann  06.08.2025

Gastbeitrag

Wir kennen euren Schmerz

Warum die assyrische Gemeinschaft an der Seite Israels steht

von Charli Kanoun  06.08.2025

Essay

Wird die Ukraine das neue Israel Europas?

Wie Israel weigerte sich die Ukraine standhaft, einfach zu verschwinden

von Daniel Lorer  06.08.2025

Meinung

Falkenbewegung: Keine Solidarität mit der israelischen Jugend

Zwei israelische Mitgliedsorganisationen wurden aus der Internationalen Falkenbewegung ausgeschlossen. Die Begründung offenbart ein antisemitisches Weltbild

von Ralf Fischer  06.08.2025

Kommentar

Der Antrag gegen Andreas Büttner ist begründet

Die Linke will Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten aus der Partei ausschließen. Gut so. Die beiden passen nicht zusammen, denn: Büttner hat Anstand, seine Partei nicht

von Andrej Hermlin  05.08.2025

Meinung

Die Folgen wären fatal - auch für uns

Warum der Ausschluss Israels aus »Horizon Europe« ein Fehler wäre und Deutschland mit Nein stimmen sollte

von Carsten Ovens  04.08.2025

Kommentar

Wer die Hamas vergisst

Mehrere westliche Staaten wollen Palästina noch in diesem Herbst anerkennen – als Zeichen moralischer Solidarität. Doch wer dabei die Rolle der Hamas ausblendet, riskiert mehr Schaden als Nutzen: Eine symbolische Entscheidung mit potenziell fatalen Folgen für die politische Realität vor Ort.

von Olaf Asbach  01.08.2025

Meinung

Linke Solidarität und das Bedürfnis, im richtigen Club zu spielen

Die deutsche Linke ist bemerkenswert selektiv: Während sie der Ukraine zu Recht ihre Souveränität zubilligt und den russischen Angriffskrieg verurteilt, scheint für Israel ein anderes Regelwerk zu gelten

von Serdar Somuncu  01.08.2025