Volkhard Knigge

Über dem Gedenken liegt ein Schatten

Der Historiker Volkhard Knigge Foto: imago/VIADATA

Am 5. April wollen das Land Thüringen, die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos an die Befreiung Buchenwalds vor 75 Jahren erinnern. Das Motto: Endlich alles vorbei?

Die Antwort: Nein! Weder ziehen wir einen Schlussstrich, noch sind Neonazismus und Rechtspopulismus Phänomene von gestern.

»Nie wieder!« Wie üblich hätte der Thüringer Ministerpräsident die politische Ebene und deren Verpflichtung auf das »Nie wieder!« repräsentiert. Der derzeitige kommissarische Ministerpräsident ist aber nur deshalb im Amt, weil er seine Wahl mit den Stimmen der AfD akzeptiert hat.

Auf dieser Wahl liegt ein Schatten: das weitgehend abgestimmte Zusammengehen der CDU-Fraktion mit den Antidemokraten und Feinden des Erinnerns an die nationalsozialistischen Verbrechen und deren Opfer.

270.000 Menschen aus Deutschland und Europa, darunter 75.000 Juden, erlitten das KZ Buchenwald, 56.000 haben nicht überlebt. Auch wenn die AfD kein Klon der NSDAP ist und Björn Höcke kein Wiedergänger Hitlers, kann kein Zweifel an der völkisch-antidemokratischen Prägung dieser Partei bestehen.

AfD-Politiker Marc Jongen wetterte im Bundestag gegen die Stärkung der Gedenkstättenarbeit durch das Förderprogramm »Jugend erinnert«.

Die Grund- und Menschenrechte, Parlamentarismus und Gewaltenteilung: »aufgeblasener Werteschaum«. Das demokratische Deutschland, ein seinem »Volkscharakter« entfremdeter »Saustall«, der »mit fester Hand« auszumisten sei. Die Erinnerungskultur einzig dazu da, »den Daseinswillen der Deutschen als Volk und Nation zu brechen«, damit andere »unseren Platz« einnehmen können. Worte von Marc Jongen im Bundestag gegen die Stärkung der Gedenkstättenarbeit durch das Förderprogramm »Jugend erinnert«.

Hintergrund Vor diesem Hintergrund ist nicht vorstellbar, dass ein Ministerpräsident, der die Unterstützung einer so tickenden Partei angenommen hat, glaubhaft das »Nie wieder!« repräsentieren kann.

Als Ministerpräsident kann Herr Kemmerich deshalb beim Gedenkakt nicht auftreten. Als FDP-Politiker ist er aber selbstverständlich willkommen. Mehr als nur eine Personalie verweist die jetzige Situation darauf, wie gegenwärtig die Vergangenheit und wie aktuell das Gedenken ist.

Der Autor ist Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Sigmount A. Königsberg

Mendel, Waters und »Der Spiegel«

Der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank hat einem Musiker, der immer wieder mit antisemitischen Aussagen auffällt, einen Koscher-Stempel verpasst

von Sigmount A. Königsberg  23.03.2023

Nathalie Schomerus

Die Jüdischen Gemeinden müssen nachhaltiger werden

Auch die jüdische Gemeinschaft ist in der Pflicht, die Umweltverschmutzung zu bekämpfen

von Nathalia Schomerus  17.03.2023

Einspruch

Rechtsextreme als Schöffen verhindern

Doron Rubin plädiert dafür, die Verfassungstreue von Schöffen gesetzlich zu verankern

von Doron Rubin  17.03.2023

Lamya Kaddor

Tödlicher Antijudaismus

Die menschenverachtende und antisemitische Ideologie des Hamburg-Attentäters war bekannt. Hätte der Amoklauf verhindert werden können?

von Lamya Kaddor  14.03.2023

Ruben Gerczikow

Sportvereine: Kein Handschlag mit Nazis

Die Mär vom unpolitischen Sport muss endlich grundsätzlich hinterfragt werden

von Ruben Gerczikow  10.03.2023

Meinung

Die Hoffnung nicht verlieren

Unsere Redakteurin sorgt sich wegen der Justizreform um Israels Zukunft – und will gerade deshalb den Kontakt nicht abreißen lassen

von Ayala Goldmann  07.03.2023

Hajo Funke

Ein Mittel der Holocaust-Leugnung

Der Inhalt der gefälschten Hitler-Tagebücher wurde erst jetzt rekonstruiert und veröffentlicht – sie offenbaren einen Abgrund an Verzerrung, Geschichtsklitterung und Dreistigkeit

von Hajo Funke  03.03.2023

Aras-Nathan Keul

Symbol einer verfehlten Iran-Politik

Das Islamische Zentrum Hamburg ist laut Verfassungsschutz ein Außenposten der Islamischen Republik – und konnte sich dennoch auf der Leipziger Buchmesse für einen Stand anmelden

von Aras-Nathan Keul  03.03.2023

Meinung

Ethisch und moralisch am Ende

Die Reaktion von Rabbiner Walter Homolka auf das Urteil des Landgerichts Berlin lässt einmal mehr tief blicken

von Philipp Peyman Engel  01.03.2023