Meinung

Meine Menschlichkeit nimmt mir niemand

Sabine Brandes Foto: privat

Meinung

Meine Menschlichkeit nimmt mir niemand

Israel muss auf den unvorstellbar grausamen Terror der Hamas reagieren – das bedeutet nicht, kein Mitleid gegenüber unschuldigen Palästinensern zu empfinden

von Sabine Brandes  19.10.2023 09:23 Uhr

Es ist ein Uhr morgens, wir sitzen zusammen auf dem Bett. Mein 14-jähriger Sohn und ich. Wir wollten früher schlafen gehen, im Moment sind die Nächte kurz. Aber dann beginnt er zu sprechen. Ein Teenager, der sein Herz ausschüttet, das passiert nicht ständig, also bleibe ich wach. Wir reden und reden und reden über die unerträglichen Geschehnisse der vergangenen Tage, die über unser Land hereingebrochen sind. Leider weiß er viel zu viel.

»Tun dir auch die Palästinenser leid?«, fragt er plötzlich leise, mit seinem Kopf an meiner Schulter. »Natürlich«, poltert es impulsiv aus mir heraus. Dann versuche ich, mit Rücksicht auf seine Kinderseele, zu erklären. Die Hamas-Terroristen sind blutrünstige Monster und keine Menschen, heißt es. Doch leider sind sie es.

Fühlen ist unser innerer Kompass

Allerdings so, wie Menschen niemals sein dürften. Und gerade deshalb weigere ich mich, meine Menschlichkeit zu verstecken. Ich versuche, meinen Kindern zu vermitteln, dass Mitgefühl die wichtigste Eigenschaft ist, die man haben kann. Fühlen ist unser innerer Kompass, der zwischen Gut und Böse unterscheiden lässt.

Unsere Herzen sind im Angesicht der Opfer des unvorstellbar grausamen Hamas-Terrors gebrochen. Jeden Morgen wachen wir voller Trauer auf und gehen voller Trauer wieder schlafen. Doch ja, mir tun auch unschuldige Palästinenser leid, die um ihr Leben fürchten, von der Hamas als menschliche Schutzschilde missbraucht und in Geiselhaft genommen werden, verletzt werden und sterben. Damit sage ich nicht, dass Israel nicht auf das ultimative Böse reagieren soll, sondern drücke aus, dass ich Mitleid empfinde.

Hasskommentare dazu sind mir egal. Völlig egal! Ich lebe seit fast 20 Jahren in Israel, bin vor keinem Krieg geflohen, meine Tochter war in der Armee. Jenen, die irgendwo in Sicherheit hinter dem Bildschirm sitzen und voller Selbstgerechtigkeit erklären, was andere zu fühlen haben oder nicht, sage ich: Schreibt, was ihr wollt. Meine Menschlichkeit nimmt mir niemand!

Die Autorin ist Israel-Korrespondentin der Jüdischen Allgemeinen und lebt in Tel Aviv.

Nahost

Israel: Wir stehen kurz vor Abschluss des Einsatzes in Gaza

US-Präsident Donald Trump sagte jüngst, dass es bald im Gaza-Krieg eine Waffenruhe geben könnte. Auch Israels Verteidigungsminister Katz äußert sich nun optimistisch

 30.06.2025

Krieg

»Unser Schmerz macht uns nicht blind für das Leid anderer«: Palästinenser in Gaza zeigen Fotos getöteter israelischer Kinder

Bei Mahnwachen im Gazastreifen fordern Palästinenser mit einer ungewöhnlichen Aktion Frieden für Nahost. Die Gaza-Anwohner fordern auch die Freilassung aller aus Israel entführten Geiseln

 30.06.2025

Nahost

Kreise: Syrien und Israel sprechen über »Sicherheitsvereinbarungen«

Offiziell befinden sich Israel und Syrien im Kriegszustand. Die neue Führung in Damaskus zeigt sich offen, das zu ändern. Aus Kreisen in Syrien heißt es, es gebe direkte Gespräche

 30.06.2025

Westjordanland

Siedlergewalt gegen Soldaten eskaliert

Jüdische Extremisten greifen Armeebasis an und zünden millionenteure Sicherheitsanlage zur Terrorverhinderung an

von Sabine Brandes  30.06.2025

Meinung

»Ha’aretz«: Stimmungsmache gegen Israel

In den vergangenen Jahren hat die israelische Zeitung mehrfach Falschbehauptungen oder verzerrte Darstellungen in Umlauf gebracht hat - mit weitreichenden Folgen

von Jacques Abramowicz  30.06.2025

Jerusalem

Netanjahu: »Zunächst einmal müssen wir die Geiseln befreien«

Eine Äußerung des Premierministers deutet darauf hin, dass es eine Verschiebung der israelischen Prioritäten im Krieg gegen die Hamas gibt. Die Hintergründe

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

 29.06.2025

Inlandsgeheimdienst Schin Bet

Großes Hamas-Netzwerk in Hebron zerschlagen

Das Netzwerk der islamistischen Terrororganisation habe zeitnah Anschläge in Israel und dem Westjordanland geplant

 29.06.2025

Kommentar

Gelöscht!

»Freunde Israels« wie »Die Zeit« haben die deutsche Vergangenheit nicht bewältigt, sondern überwältigt. Wie auch den Autor Maxim Biller. Indem sie ihn depublizieren

von Samuel Schirmbeck  30.06.2025 Aktualisiert