Meinung

Israels präziser Kampf gegen den Terror

Nicole Dreyfus Foto: Claudia Reinert

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Israels präziser Kampf gegen den Terror

Der Pager-Angriff hat die Hisbollah an empfindlicher Stelle getroffen und ist auch deshalb ein Meisterstück psychologischer Kriegsführung

von Nicole Dreyfus  18.09.2024 16:08 Uhr

Die Szene am Dienstag in Beirut hatte etwas von einem bizarren James-Bond-Film: Hunderte von Pagern explodierten gleichzeitig in den Hosentaschen von Hisbollah-Terroristen. Dass die Hisbollah das nächste Kapitel zu diesem Thriller verfassen wird, scheint klar. Und Israels Regierung? Sie hat den Angriff vom Dienstag schweigend zur Kenntnis genommen, braucht ihn jedoch auch nicht zu kommentieren.

Ein Angriff dieser Raffinesse und Wagemut im Libanon hätte von keiner anderen Nation inszeniert werden können. Die Videoszenen von Hisbollah-Kämpfern, die von ihren eigenen Kommunikationsgeräten auf den Boden gefegt wurden, sendeten eine unmissverständliche Botschaft an die vom Iran unterstützte Miliz: Wir durchdringen jeden Raum – unabhängig davon, wo er sich befindet.

In diesem Fall scheuten die Angreifer auch nicht davor zurück, die Hisbollah-Terroristen ganz konkret im Intimbereich zu treffen. Für machistische Terroristen eine Demütigung sondergleichen, vor allem auch angesichts der Tatsache, dass ihnen nach dem Märtyrer-Tod unzählige Jungfrauen versprochen werden.

Israel musste schnell handeln

Doch zurück ins Diesseits und damit zur Realität: Israels augenscheinliche Entscheidung, den Angriff zu starten, wurde vermutlich von politischen wie auch von operativen Faktoren angetrieben. Die Verhandlungen über einen Geiseldeal sind ins Stocken geraten, und damit die Hoffnung auf ein diplomatisches Abkommen mit der Hisbollah, um die Situation an der Grenze im Norden zu beruhigen.

Und nachdem wohl Israel die außergewöhnliche Fähigkeit entwickelt hat, die Kommunikationsgeräte seines Gegners in Bomben zu verwandeln, musste schnell gehandelt werden, ehe die Pager-Geräte entdeckt und entwaffnet werden konnten.

Mehrere Politiker und Funktionäre wie UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese oder Belgiens Vizepremierministerin Petra De Sutter behaupten, der Angriff sei nichts anderes als Terrorismus. Das Gegenteil ist der Fall: Während Terroristen wahllos möglichst viele Unschuldige in den Tod reißen wollen, richtete sich der Angriff präzise gegen eine Terror-Miliz, die sich selbst zur Kriegspartei gemacht hat, als sie am 8. Oktober begann, den Norden Israels mit Raketen zu überziehen.

Die Hisbollah-Mitglieder mögen beim Einkaufen im Supermarkt oder unterwegs im Auto verletzt worden sein, aber mit ihrer Arbeit haben sie die Maschine des Raketenterrors gegen Zivilisten in Nordisrael am Laufen gehalten.

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Aus technischer Sicht war der Pager-Angriff eine brillante Operation. Dass dabei die zehnjährige Tochter eines Hisbollah-Mitglieds ums Leben gekommen ist, ist zweifellos tragisch. Davon abgesehen ist nach derzeitigen Erkenntnissen die absolut überwiegende Mehrheit der Getroffenen Teil des Terror-Netzwerks der Hisbollah – einschließlich, wie es scheint, der iranische Botschafter im Libanon, der bei dem Angriff ein Auge verlor.

Was veranlasst den iranischen Botschafter im Libanon, einen solchen Pager bei sich zu tragen? Die Antwort liegt auf der Hand: Es belegt seine Nähe zur Terrormiliz, die nun ihr internes Kommunikationssystem, das offenbar schwer zu knacken war, verloren hat. Die Hisbollah hatte erst vor wenigen Monaten ihre Handys mit Pagern ausgetauscht, um ihr militärisches Netzwerk zu schützen. Die Milizionäre hatten sich offenbar kaum vorzustellen können, dass israelische Agenten in ihre Lieferkette für die Pager eindringen könnten.

Eine Terrorgruppe wurde im Innersten geschwächt

Der Wunsch Israels, die Hisbollah härter anzugreifen, spiegelt die weit verbreitete Ansicht der Israelis wider, dass sich das Land einen mittlerweile langwierigen Zermürbungskrieg mit libanesischen Milizionären nicht leisten kann. Tausende Israelis wurden gezwungen, ihre Häuser im Norden zu verlassen. Konsens und politischer Druck wachsen zunehmend, dass im Norden etwas getan werden muss. Obwohl Israel die Hamas in Gaza effektiv militärisch zerschlagen hat, hat die Hisbollah ihre Raketenangriffe gegen Nordisrael zunehmend ausgedehnt. Israel kämpft weiterhin an zwei Fronten.

Der Pager-Angriff, der als chirurgischer Kriegseingriff zu bewerten ist, war der erfolgreiche Versuch, eine weitere Terrorgruppierung im Innersten zu schwächen. Sollte Israel hinter dem Angriff stecken, hätte es einmal mehr bewiesen, wie meisterhaft es die Klaviatur der Präzision beherrscht.

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