Ralf Balke

Ein Philosoph für alle Fälle

Ralf Balke Foto: Marco Limberg

Masal tov möchte man erst einmal sagen. Denn am Montag wurde bekannt, dass der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm für sein 2022 erschienenes Buch »Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität« den mit 20.000 Euro dotierten Preis erhalten wird.

In der Begründung der Jury heißt es, der 1979 in Haifa geborene Omri Boehm werde für die Konsequenz ausgezeichnet, mit der er den Kern des humanistischen Universalismus, die Verpflichtung zur Anerkennung der Gleichheit aller Menschen, gegen jegliche Relativierung verteidigt. Eigentlich klingt das recht beeindruckend. Doch in der Beliebigkeit dieser Worte zeigt sich bereits das Problem, weil es sich um nichts Anderes als Brei auf Stelzen handelt.

Die Begründung verrät auch eine Menge über denjenigen, der den Preis erhält und natürlich über die, die ihn vergeben. Denn Omri Boehms Mantra lautet seit Jahren, dass Israel irgendwie in einem binationalen Staat aufgehen sollte, in dem es eine nationale Selbstbestimmung und Autonomie für Juden und Palästinenser gleichermaßen gibt. Dann wird der Nahostkonflikt wohl Geschichte sein. So etwas will man in Deutschland gerne hören, wer solche Sachen sagt, erhält Preise.

Als Gedankenspiel mögen solche Konzepte gewiss ganz nett sein. Nur haben sie mit den Realitäten im Nahen Osten herzlich wenig zu tun – erst recht nicht nach dem 7. Oktober. Und das erklärt dann auch, warum man in Israel einen Autor wie Omri Boehm allenfalls mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nimmt, er hierzulande aber mit viel Aufmerksamkeit bedacht wird. Denn Visionen, in denen sich die Grenzen Israels quasi auflösen und der jüdische Staat als solcher zum Verschwinden gebracht wird, haben offensichtlich ihren Reiz.

Anders ausgedrückt: Es gibt in Deutschland für sie einen Markt und Omri Boehm bedient diesen gerne.

Mit Sätzen wie »Ich denke, es ergibt wenig Sinn, tiefer in die Debatte über den ’spezifischen arabischen Antisemitismus‘ einzutauchen« oder »Ich werde Ihnen sagen, wo der Antisemitismus nicht beginnt: Er beginnt nicht damit, Israels Existenz als jüdischen Staat infrage zu stellen« hat sich Omri Boehm ohnehin schon längst in die Herzen der postkolonialen juste milieus und BDS-Fans eingeschrieben.

Omri Boehm bewegt sich im Umfeld der Boykottbewegung gegen Israel. Beispielsweise nahm er an der »Hijacking Memory« im Sommer 2022 teil, bei der auch versucht wurde, den deutschen Erinnerungsdiskurs über die Schoa zu verschieben. Diese Veranstaltung wurde scharf vom Zentralrat der Juden kritisiert. Der Philosoph reagierte darauf sehr verschnupft. »Doch mag er sich auch noch so sehr über einen stillschweigenden BDS-Boykott gegen Juden und Israelis beklagen: Der Zentralrat ist zu einer viel mächtigeren Bedrohung für den öffentlichen Auftritt von Juden in diesem Land geworden«, so Omri Boehm in der Wochenzeitung »Die Zeit«.

Da haben wir wieder das altbekannte Muster. Gibt es Kritik, wird diese sofort als Versuch gedeutet, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Das verwundert – schließlich ist Omri Boehm auf wirklich allen Kanälen präsent, unter anderem kürzlich im »ZDF« im Gespräch mit Richard David Precht – aber das passt ja dann bestens. Masal tov!

Meinung

Der Stolz der australischen Juden ist ungebrochen

Der Terroranschlag von Sydney hat die jüdische Gemeinschaft des Landes erschüttert, aber resigniert oder verbittert ist sie nicht. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung künftig mehr für ihren Schutz tut

von Daniel Botmann  16.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Charlotte Knobloch

Pessimismus können wir uns nicht leisten

Nach dem Terror in Sydney fragen sich auch Juden hierzulande erneut: Wohin? Deutschland hat bewiesen, dass es jüdischen Menschen eine Heimat sein kann und will, meint die Münchner Gemeindechefin

von Charlotte Knobloch  15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Meinung

Die Schweiz als Ausweichort: Ein Lehrstück über den Umgang mit kontroversen Positionen

Linke Intellektuelle verbreiteten auf einer Tagung anti-israelische Verschwörungstheorien. Die Veranstaltung zeigt, warum wir den offenen, präzisen Diskurs gegen jene verteidigen müssen, die Wissenschaftlichkeit als Tarnkappe missbrauchen

von Zsolt Balkanyi-Guery  12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Andrea Kiewel

Ein Weltwunder namens Regen

Jedes Jahr im Dezember versetzt der Regen die Menschen in Israel in Panik - dabei ist er so vorhersehbar wie Chanukka

von Andrea Kiewel  11.12.2025 Aktualisiert