Hajo Funke

Ein Mittel der Holocaust-Leugnung

Hajo Funke Foto: picture alliance / AA

Hajo Funke

Ein Mittel der Holocaust-Leugnung

Der Inhalt der gefälschten Hitler-Tagebücher wurde erst jetzt rekonstruiert und veröffentlicht – sie offenbaren einen Abgrund an Verzerrung, Geschichtsklitterung und Dreistigkeit

von Hajo Funke  03.03.2023 08:58 Uhr

Konrad Kujau bot 1983 seine angeblichen Hitler-Tagebücher dem »Stern« an. Das Wochenmagazin glaubte daraufhin, die Geschichte des Nationalsozialismus müsse umgeschrieben werden, bis eine technische Prüfung ergab, dass das benutzte Papier aus der Zeit nach 1945 stammt.

Erst 40 Jahre später ist nun der Inhalt dieser gefälschten Tagebücher rekonstruiert und veröffentlicht. Die Texte offenbaren einen Abgrund an Verzerrung, Geschichtsklitterung und Dreistigkeit. Es war ein notwendiger Schritt, sie endlich der Öffentlichkeit und Wissenschaft zur Verfügung zu stellen – und damit den Kern des Skandals kenntlich zu machen.

neonazikreise Das Ziel Kujaus, der sich im Jahrzehnt vor der avisierten Veröffentlichung in Neonazi­kreisen aufhielt, war es, Hitler und den NS vom Menschheitsverbrechen der Schoa freizusprechen. Nach den Schockwirkungen, die die mehrfache Ausstrahlung des Films Holocaust in Deutschland ausgelöst hatte, arbeiteten rechtsextreme Kreise umso mehr daran, den Schrecken über die Schoa zu kontern – und das mit allen Mitteln. Anfang der 80er-Jahre war die Zeit dafür in deren Augen überfällig.

Es macht den Skandal noch schwerwiegender, dass der wahre Charakter der vom »Stern« anfangs zelebrierten Kujau-Texte bis in diese Tage der Öffentlichkeit vorenthalten worden ist.

Die »Tagebücher« waren ein Mittel der Holocaust-Leugnung. Es findet sich in ihnen nicht ein Beleg für Gaskammern, Deportationen oder Auschwitz. Am 20. November 1942, nachdem bereits Millionen Juden ermordet worden waren, erklärt Kujau-Hitler: »Wir kommen nicht weiter mit dem Judenproblem. Keiner will sie haben, selbst unbesiedeltes Gebiet stellt man uns für die Umsiedlung nicht zur Verfügung.«

Sogar noch Ende Juni 1943 findet sich ein ganz ähnlicher Eintrag – nur wenige Monate, bevor Himmler in Posen mit Blick auf die Juden erklärte: »Es musste der schwere Entschluss gefasst werden, dieses Volk von der Erde verschwinden zu lassen.«

Es macht den Skandal noch schwerwiegender, dass der wahre, unfassbare Charakter der vom »Stern« anfangs zelebrierten Kujau-Texte bis in diese Tage der Öffentlichkeit vorenthalten worden ist – und die Zuständigen darüber weithin schweigen.

Der Autor ist emeritierter Professor für Politikwissenschaften.

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Essay

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  24.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Jom Haschoa

Zwei Minuten Stillstand?

Sollte in Deutschland in derselben Art und Weise wie in Israel an die Opfer der Schoa erinnert werden? Ein Gastbeitrag von Felix Klein

von Felix Klein  22.04.2025

Kommentar

Bezalel Smotrich, die Geiseln in Gaza und der moralische Teufelskreis

Zum Gesellschaftsvertrag in Israel gehört es, dass kein Soldat und kein Opfer von Terror zurückgelassen wird. Niemand! Niemals! Koste es, was es wolle. Was es bedeutet, dies nun in Frage zu stellen

von Daniel Neumann  22.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Volker Beck

Den Kampf gegen Antisemitismus nicht vereinnahmen

US-Präsident Trump nimmt den Antisemitismus an der Harvard University zum Anlass für einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit und die Rechtsgleichheit für alle

von Volker Beck  16.04.2025