Medien

»Wir wollen kein Mahn-Fernsehen machen«

Herr Kozminski, Sie wollen mit Ihrem Fernsehformat »Die Jüdische Woche TV« ins Mainstreamprogramm und haben sich um einen Sendeplatz bei RTL beworben. Wie stehen die Chancen?
Erst mal sehr gut, denn wenn sich die Ausschreiber an das halten, was gesetzlich vorgegeben ist, nämlich eine echte Programmvielfalt in das Hauptprogramm einzubringen, dann stehen wir hier mit unserem Angebot gegenüber den neun Mitbewerbern sicher an erster Stelle.

Was will »Die Jüdische Woche TV« sein? Eine Art Heimatprogramm für jüdische Zuschauer? Oder Erklärfernsehen über das Judentum für das nichtjüdische Publikum?
Weder noch. Die Intention ist ein Programm mit jüdischer Ausrichtung für alle in diesem Land. Wir werden kluge, zeitgemäße, aufklärende und humorvolle Sendungen zu jüdischen Themen aus jüdischer Perspektive erstellen. Wir wollen der intelligenten Jugend ein Forum bieten. Wir wollen aber auch über jüdische Dissidenten und tabuisierte jüdische Themen berichten. Also keine Klischees und Gemeinplätze, keine Nullachtfünfzehn-Antworten auf jüdische Fragen.

Und die Themen? Schoa, Nahost und Antisemitismus? Oder auch anderes?
Die Aufarbeitung der Schoa und der schwierigen deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte wird wichtig bleiben. Aber wir wollen kein Mahn-Fernsehen machen. Gezeigt werden soll die ganze Palette des jüdischen Lebens in Deutschland. Dazu gehören natürlich Politik und Kunst, ebenso der kritische Blick auf unser Biotop. Und leider auch der alt-neue Antisemitismus – denken Sie nur an die Beschneidungsdebatte oder das Grass-Gedicht. Aber zum jüdischen Leben hierzulande gehört zum Glück mehr. 70 Jahre nach Nazi-Terror und Holocaust erlebt Deutschland eine neue, erstaunliche Vielfalt der jüdischen Welt. Neue Synagogen eröffnen ebenso wie jüdische Kindergärten, Grundschulen, Galerien und Lehrhäuser. Und fast noch erfrischender: Junge wie Alte, Fromme wie Säkulare, Rabbiner wie Umweltschützer, Studenten wie Unternehmer – sie alle melden sich zurück als die selbstbewusste, neue jüdische Community.

Machen Sie’s konkret: An welche Art Beiträge denken Sie?
Zum Beispiel: »Kritisch nachgefragt«. Interviews mit Fragen, die sich sonst keiner zu stellen traut. Den öffentlichen Vertretern der jüdischen Politik auf den Zahn fühlen, denen, die seit Langem Meinungen monopolisieren. Die Rabbiner einbeziehen, um Antworten auf Zeitfragen zu erhalten. Und das beliebte Totschweigen abweichender Meinungen an den Pranger stellen. Wir wollen dazu beitragen, dass nicht länger nur ein, zwei Namen fallen, wenn von Juden die Rede ist. Das jüdische Leben hier ist reich und hat viele Stimmen.

Und welche dieser vielen Stimmen vertreten Sie?
Wir sind redaktionell unabhängig, was heißen soll, dass wir hier nicht für alle Juden sprechen werden oder können und schon gar nicht wollen. Weder werden wir das Sprachrohr des Zentralrats sein, noch der Union progressiver Juden in Deutschland oder irgendeiner anderen Gruppierung oder Institution. Einige unserer Mitarbeiter sind Mitglieder einer jüdischen Einheitsgemeinde oder Mitglieder bei der Union, andere kommen aus christlichen oder muslimischen Gemeinden. Wir sind ethnisch und weltanschaulich gemischt. Aber unser Programm ist das jüdische Deutschland.

Falls es diesmal mit dem Sendeplatz bei RTL nicht klappen sollte: Bleiben Sie am Ball?
Selbstverständlich bleibe ich am Ball. Deutschland braucht dieses Programm, auch wenn viele aus unseren jüdischen Kreisen das noch nicht gerafft haben.

Das Gespräch führte Michael Wuliger.

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

London

Kneecap und Massive Attack wollen andere israelfeindliche Bands unterstützen

Einige der Initiatoren einer neuen Initiative verherrlichten den palästinensischen und libanesischen Terror auf der Bühne. Andere verglichen das Vorgehen Israels gegen die Hamas mit dem Holocaust

von Imanuel Marcus  18.07.2025

Darmstadt

Literaturpreise für Dan Diner und Ilma Rakusa

Diner habe die Geschichte des Judentums immer wieder als »Seismograph der Moderne« verstanden, begründete die Jury die Wahl

 18.07.2025

Nachruf

Nie erschöpfter, unerschöpflicher Herrscher des Theaters

Claus Peymann prägte das Theater im deutschen Sprachraum wie nur wenige andere. Nun ist er in Berlin gestorben. Erinnerungen an einen Giganten der Kulturszene

von Christian Rakow  18.07.2025

Kulturpolitik

Weimer sieht autoritäre Tendenzen im Kulturbetrieb

Attacken auf das weltberühmte Bauhaus und steigende Judenfeindlichkeit: Nach Einschätzung von Kulturstaatsminister Weimer steht der Kulturbetrieb zunehmend unter Druck

von Katrin Gänsler  18.07.2025

Tournee

Bob Dylan auf drei deutschen Bühnen

Das Publikum muss sich bei den Vorstellungen der lebenden Legende auf ein Handyverbot einstellen

 18.07.2025

Marbach

Israelische Soziologin Eva Illouz hält Schillerrede

Illouz widme sich dem Einfluss wirtschaftlichen Denkens und Handelns und greife damit Widersprüche kulturgeschichtlich auf, hieß es

 17.07.2025

Musik

1975: Das Jahr großer Alben jüdischer Musiker

Vor 50 Jahren erschienen zahlreiche tolle Schallplatten. Viele der Interpreten waren Juden. Um welche Aufnahmen geht es?

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  17.07.2025 Aktualisiert