»Mein Wildgarten«

Wespen fliegen auch an Schabbes

Mit derselben Muße, mit der Shalev bisher seine Romane geschrieben hat, führt er nun durch seinen Garten und zeigt sich als feiner Beobachter. Foto: PR

»Mein Wildgarten«

Wespen fliegen auch an Schabbes

Der israelische Schriftsteller Meir Shalev hat möglicherweise eine neue Liebe gefunden

von Welf Grombacher  21.03.2017 11:15 Uhr

An einem sonnigen Frühlingsmorgen hört Meir Shalev Stimmen vor dem Haus. Als er vor die Tür tritt, um nachzuschauen, sieht er mitten in seinen Mohnblumen einen Fotografen und ein Brautpaar, die Hochzeitsbilder machen.

»Ihr seid in meinem Garten und zertrampelt mir die Blumen«, ruft Shalev den ungebetenen Gästen erbost zu. »In drei Minuten gehen die Sprinkler der automatischen Bewässerungsanlage an, und dann werdet ihr ja sehen.« Auch wenn es sich um einen Wildgarten handelt, ist es immer noch ein Garten, der Arbeit erfordert.

hobby Auf der Suche nach einem Heim fern der Stadt fand Shalev vor Jahren in der Jesreel-Ebene ein einfaches Häuschen. Auf den ersten Blick verguckte er sich auch in den dazugehörigen Garten, dem er nun in seinem neuen Buch liebevoll huldigt. »Mit der Zeit habe ich einige Übung im Gärtnern erworben, ohne es jedoch zum Gärtnermeister zu bringen. Vielleicht habe ich zu spät angefangen, vielleicht bin ich auch zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Deshalb ist dieses Buch weder ein Gartenratgeber noch ein Lehrbuch für Botanik oder Gartenbau. Es ist nur eine Sammlung von Notizen über einen bescheidenen Wildgarten und den Gärtner, der ihn hegt und pflegt, einen Mann, der spät im Leben ein Hobby gefunden hat, vielleicht sogar eine neue Liebe.«

Mit derselben Muße, mit der Shalev bisher seine Romane geschrieben hat, führt er auch durch seinen Garten und zeigt sich als feiner Beobachter. Das Unkrautjäten lehrt ihn Demut. Wenn er sich hinkniet und die vielen kleinen Geschöpfe vor seiner Hand fliehen sieht, dann weiß er, dass seine Welt nur eine von Dutzenden anderer Welten ist. Und beim dritten Stich an einem Tag ist er gewiss, dass Wespen auch am Schabbat arbeiten.

mäuse Shalevs botanisches Vorbild: sein Großvater, der als Chassid den Dienst an Gott mit dem Dienst an der Erde eintauschte, als Erstes aber in seinem Garten sieben Bäume pflanzte, mit denen laut Bibel das Land Israel gesegnet ist. Und wie dieser beobachtet Shalev fasziniert das Treiben in seinem Garten und genießt den Frieden. Nur als Mäuse seinen Garten verwüsten, hört für ihn der Spaß auf. Wie diese Tiere wieder loswerden?

Der Versuch, sie auszuschwemmen, hat keinen Erfolg. Auch Raubtierkot hilft nicht. Den räumen die Mäuse aus ihrem Bau, sodass er im Garten vor sich hin stinkt. Und das Töten mit Gas? »Zugegeben – es klang überzeugend, sogar verlockend, trotzdem entschied ich, dass es Dinge gibt, die Juden nicht tun sollten.«

Meir Shalev: »Mein Wildgarten«. Übersetzt von Ruth Achlama. Diogenes, Zürich 2017, 336 S., 24 €

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025