Nemi El-Hassan

WDR entscheidet sich gegen Zusammenarbeit

Das Archivhaus des Westdeutschen Rundfunk in Köln Foto: imago

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat sich endgültig gegen eine Zusammenarbeit mit der vielfach kritisierten Journalistin Nemi El-Hassan entschieden. Das teilte der öffentlich-rechtliche Sender in Köln am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur mit. Zuvor hatte die Journalistin einen Gastbeitrag in der »Berliner Zeitung« veröffentlicht, in dem sie Kritik am WDR zum Umgang mit ihr in den vergangenen Wochen äußerte. Vom Sender hieß es als Begründung für seine Entscheidung: »Das Vertrauen für eine künftige Zusammenarbeit ist nicht mehr vorhanden.«

Der ganze Fall rund um die Beschäftigung El-Hassans hängt mit aufgekommenen Antisemitismus-Vorwürfen zusammen. Ursprünglich sollte die Journalistin die Wissenschaftssendung Quarks moderieren. Ihr Start war für November vorgesehen. Die »Bild«-Zeitung hatte dann im Kontext der neuen Aufgabe El-Hassans von ihrer Teilnahme an der judenfeindlichen Al-Quds-Demo in Berlin vor einigen Jahren berichtet.

antisemitismus Bei den alljährlichen Al-Quds-Demos in Berlin waren in der Vergangenheit immer wieder antisemitische Parolen gerufen und Symbole der pro-iranischen libanesischen Terrororganisation Hisbollah gezeigt worden. El-Hassan hatte sich nach dem Medienbericht in einem Statement von der Demo distanziert. Außerdem wird ihr vorgeworfen, israelfeindliche Posts im Netz gelikt zu haben. In einem Fall ging es dabei um den Ausbruch von Terroristen aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis.

Der WDR hatte sich im weiteren Verlauf der Debatte gegen eine Moderation El-Hassans in der Wissenschaftssendung entschieden. Als Begründung hieß es vom Sender, »dass die Auseinandersetzung um ihre Person zu einer unangebrachten Politisierung der renommierten Wissenschaftssendung geführt hat«. Die ARD-Anstalt hatte dann zunächst weiter geprüft, ob sie möglicherweise als Autorin für Quarks arbeiten könnte.

Am Dienstag hatte El-Hassan in dem Gastbeitrag in der »Berliner Zeitung« dem WDR im Zuge der von dem »Bild«-Bericht angestoßenen Debatte vorgeworfen, er habe sich selbst aus der Schusslinie ziehen wollen.

Am Dienstag hatte El-Hassan in dem Gastbeitrag in der »Berliner Zeitung« dem WDR im Zuge der von dem »Bild«-Bericht angestoßenen Debatte vorgeworfen, er habe sich selbst aus der Schusslinie ziehen wollen. »Die Reaktion des WDR zeigt exemplarisch, dass es schlecht steht um die vielfach gerühmte Debattenkultur in diesem Land«, kritisierte El-Hassan.

Kampagne Die Journalistin sprach in dem Gastbeitrag auch von einer angeblichen gezielten Kampagne. Der »Bild«-Zeitung warf sie vor, sie demontieren zu wollen. »Natürlich darf auch die Bild-Zeitung zur Vergangenheit einer öffentlichen Person recherchieren und Fragen stellen«, schrieb El-Hassan. »Aber es gibt eine Grenze zwischen kritischer journalistischer Arbeit und einer gezielten Kampagne zur Demontage einer Person.«

Die angebliche Kampagne gegen sie sei in rechten Foren von langer Hand vorbereitet worden. Dort verfolge man das Ziel, möglichst viele Menschen muslimischen Glaubens aus der Öffentlichkeit hinauszudrängen. Antisemitismusvorwürfe würden dazu gezielt eingesetzt, weil sie besonders wirksam seien, um jemanden auf Dauer unmöglich zu machen. Dabei gehe es den Rechtsextremen natürlich nicht um den Schutz jüdischen Lebens, vielmehr sei der Antisemitismus-Vorwurf nur Mittel zum Zweck. Denn: »Im Land der Täter will sich – verständlicherweise – niemand in eine Situation begeben, die nahelegen könnte, dass man sich nicht vehement an der Bekämpfung des gesamtgesellschaftlichen Problems Antisemitismus beteiligt.«

El-Hassan warf dem WDR vor: »Der WDR hat sich – in der Hoffnung, sich selbst aus der Schusslinie zu ziehen – allen Argumenten der Bild-Zeitung angeschlossen und somit auch zukünftigen Kampagnen Tür und Tor geöffnet.« Sie schrieb auch: »Die Reaktion des WDR zeigt exemplarisch, dass es schlecht steht um die vielfach gerühmte Debattenkultur in diesem Land.«

Vorwurf Der öffentlich-rechtliche Sender reagierte am Abend auf den Gastbeitrag so: Der Vorwurf, dass der WDR die Moderatoren-Auswahl von einer »Bild«-Kampagne abhängig mache, sei unsinnig. »Unabhängig von der medialen Berichterstattung und dem öffentlichen Druck im Fall Nemi El-Hassan hat der WDR sorgfältig und umfangreich beraten, weil die Verantwortlichen den beruflichen Weg der jungen Journalistin nicht leichtfertig behindern, sondern ihr eine Chance geben wollten.«

Der öffentlich-rechtliche Sender reagierte am Abend auf den Gastbeitrag.

Weiter hieß es, ausschlaggebend sei ihr Verhalten in den sozialen Netzwerken und der Umgang damit gegenüber dem WDR. »Relevante Informationen – wie zum Beispiel das Löschen von Likes – erfuhr der WDR erst aus den Medien, obwohl er mit Nemi El-Hassan im intensiven Austausch war. Dies hatte von Beginn an das Vertrauensverhältnis belastet.«

Der Fall El-Hassans war in den beiden vergangenen Sitzungen des Rundfunkrats als Aufsichtsgremium beim WDR debattiert worden. In der ersten Diskussion Ende September hatten sich zahlreiche Rundfunkratsmitglieder zu Wort gemeldet und ganz überwiegend gegen eine Beschäftigung von El-Hassan beim WDR in welcher Form auch immer ausgesprochen. In der zweiten Sitzung vor einigen Tagen gingen die geäußerten Meinungen stärker auseinander. dpa/ja

Archäologie

Vorform der Landwirtschaft: Steinsicheln für die Getreideernte

Funde aus einer Höhle in Zentralasien stellen Annahmen zur Entstehung der Landwirtschaft infrage. Offenbar liegen deren Ursprünge nicht nur in der Region Vorderasien, die auch das heutige Israel umfasst

von Walter Willems  26.08.2025

Digital

Initiative von Heidelberger Hochschule: Neuer Podcast zum Judentum

»Jüdische Studien Heute« als Podcast: Das neue Angebot der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg will alle zwei Wochen Forschungsthemen aufgreifen und Einblicke in die jüdische Lebenswelt bieten

von Norbert Demuth  26.08.2025

Cerro Pachón

Vera Rubin Observatory startet wissenschaftliche Mission  

Die nach einer jüdischen Wissenschaftlerin benannte Sternwarte auf einem Berg in Chile läutet eine neue Ära der Astronomie ein

von Imanuel Marcus  26.08.2025

Zahl der Woche

1902

Fun Facts und Wissenswertes

 26.08.2025

TV-Tipp

»Barbie« als TV-Premiere bei RTL: Komödie um die legendäre Puppe

Im ersten Realfilm der 1959 von Ruth Handler erfundenen Puppe ist Barbieland eine vor Künstlichkeit nur so strotzende Fantasie

von Michael Kienzl  26.08.2025

Nominierungen

Grimme Online Award: Nahost-Konflikt und deutsche Geschichte im Fokus

In den vier Kategorien kann die Jury des Grimme Online Awards aus den 25 Nominierten bis zu acht Preisträger auswählen

 26.08.2025

Berlin

Götz Aly: Kaum Parallelen zwischen 1933 und heute

Wie konnten die Deutschen den Nazis verfallen und beispiellose Verbrechen begehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Historiker in seinem neuen Buch. Erkennt er Parallelen zu heute?

von Christoph Driessen  26.08.2025

Oberammergau

»Judenfreund«: Regisseur Stückl beklagt Anfeindungen

Christian Stückl leitet die berühmten Passionsspiele in Oberbayern. Lange wurde er dafür gewürdigt, das Werk von judenfeindlichen Passagen befreit zu haben. Nun dreht sich der Wind

 25.08.2025

Kritik

Ukraine verurteilt Auftritt Woody Allens bei Moskauer Filmwoche

US-Filmregisseur Woody Allen lässt sich per Video beim Moskauer Filmfestival zuschalten. In der von Russland angegriffenen Ukraine sieht man den Auftritt alles andere als gern - und reagiert prompt

 25.08.2025