Israel

Warum Proteine manche Viren im Körper abspeichern

Proteine, hier in einer 3D-Illustration, können Zellen vor der Übernahme durch Viren schützen. Foto: Getty Images

Um den Körper zu schützen, produziert unser Organismus jede Menge Abwehrproteine, auch in Zeiten, in denen keine virale Bedrohung ansteht. Eine neue Studie des Weizmann-Instituts belegt jetzt, dass manche Viren über Jahrzehnte in der Wirtszelle überdauern können.

Wenn ein Virus in eine Zelle eindringt, kann es die Kontrolle über die Mechanismen der Proteinproduktion übernehmen und sie zwingen, mehrere Kopien von sich selbst herzustellen. Eine Infektion muss jedoch nicht unbedingt zu einem gnadenlosen Krieg führen. Während eine aktive Infektion dazu führt, dass das Virus die Zelle tötet, indem es seine Kopien an andere Zellen weitergibt, gelingt es einem Virus manchmal nicht, die Produktionsmechanismen der Wirtszelle zu übernehmen, sondern es bleibt in ihr latent, manchmal über Jahrzehnte.

infektion Herpesviren zum Beispiel sind berüchtigt für ihre Fähigkeit, sich im Körper in einem ruhenden Zustand zu verstecken. Wovon hängt es ab, ob es zu einer aktiven Infektion kommt oder ob das Virus latent bleibt?

Ein Forscherteam aus dem Labor von Noam Stern-Ginossar in der Abteilung Molekulargenetik unter der Leitung von der Neuroimmunologin Michal Schwartz, frischgebackene Israel-Preisträgerin und erst die vierte Frau, die in der Kategorie Wissenschaften die höchste Auszeichnung des Landes erhält, ging dieser Frage nach und konzentrierte sich dabei auf das sogenannte humane Cytomegalovirus, ein Mitglied der Herpesfamilie, das einen Großteil der Bevölkerung infiziert.

Bei gesunden Menschen führt es gemeinhin nicht zu einer Symptomatik. Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können jedoch schwer erkranken, wenn sie mit dem Cytomegalovirus infiziert werden. Das Virus kann sich durch Blut, Speichel oder sexuellen Kontakt ausbreiten.

fötus Schwangere Frauen, die sich mit dem Virus infizieren, können es an den Fötus weitergeben, der in der Folge manchmal schwer erkrankt.
Wie das Weizmann-Institut weiter berichtet, beobachteten die Wissenschaftler den Infektionsprozess in zwei Gruppen von Immunzellen – Makrophagen und deren Vorläuferzellen – 144 Stunden lang.

Zu mehreren Zeitpunkten nach der Infektion sequenzierten die Wissenschaftler RNA-Moleküle aus einzelnen Zellen.

Zu mehreren Zeitpunkten nach der Infektion sequenzierten sie RNA-Moleküle aus einzelnen Zellen. Da RNA-Moleküle die Rezepte für die Proteinproduktion enthalten, konnte durch ihre Sequenzierung festgestellt werden, welche Proteine in welcher Menge in jedem Stadium der Infektion produziert werden.

»Wie erwartet, produzierten die Zellen kurz nach der Infektion noch nur ihre eigenen Proteine«, sagt Schwartz. »Wir fanden heraus, dass dieser Schritt unumkehrbar ist: Von dem Moment an, in dem die Zellen nur zwei erste virale Proteine exprimierten, konnten wir die Übernahme durch das Virus nicht mehr aufhalten.«

abwehrstoffe Auf der Suche nach einer Erklärung für die Frage, warum das Virus einige Zellen übernahm, andere aber nicht, untersuchte das Team die Unterschiede in den Proteinen, die von jeder Zellgruppe vor und während der Infektion produziert wurden. Es entdeckte, dass das Virus Zellen, die bereits vor der Infektion mehr antivirale Abwehrstoffe produziert hatten, nicht übernehmen konnte. Während das Virus in diesen Zellen als latenter Gast verblieb, waren die Zellen mit einer geringeren Routineproduktion von Abwehrproteinen offen für eine virale Übernahme.

Die Forscher glauben, dass eine hohe Produktion von routinemäßigen Abwehrproteinen dazu dienen könnte, Zellen gegen eine potenzielle aktive Infektion zu immunisieren. Diese Idee deutet auf eine mögliche Lösung eines bisher ungelösten Rätsels hin: Warum neigen Cytomegalo­viren dazu, sich in einem latenten Zustand in den Stammzellen des Knochenmarks anzusammeln?

Frühere Forschungen anderer Wissenschaftler hatten ergeben, dass Stammzellen routinemäßig relativ hohe Mengen an Abwehrproteinen produzieren, verglichen mit reifen Immunzellen wie Makrophagen. Die neu entdeckte immunisierende Wirkung dieser Proteine gegen aktive Infektionen könnte erklären, warum die Viren in den Stammzellen latent bleiben.

Mit anderen Worten: Verschiedene Zelltypen im Körper, von denen man früher annahm, dass sie nur eine aktive Infektion beherbergen, könnten in Wirklichkeit unbekannte Reservoirs für latente, potenziell schädliche Viren bilden. Das ist besonders bedeutend für eine zukünftige präventive Behandlung von Patienten mit mangelhafter bis komplett ausgefallener Immunabwehr.

Leo Baeck Institut

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