Kulturkolumne

Warum ich für meine Familie zwei WhatsApp-Gruppen brauche

Auf WhatsApp gibt es bei mir zwei Familiengruppen. Eine heißt »Family«, die andere »Familia«. Zugegeben, beide nerven mich, und zwar oft. Die trashigen Glitzer-GIFs, die »wichtige Information«, die definitiv zu »häufig weitergeleitet« wurde, YouTube-Videos, fragwürdige Petitionen, Spendenkampagnen, Fußball, die gleichen Schabbat-Tische, Witze – und so weiter und so fort.

Generationenkonflikte werden eben auch in dieser parasozialen Nähe ausgetragen. Gleichzeitig ist es alles andere als selbstverständlich, mit allen in Echtzeit so kommunizieren zu können: über Kinderbilder, Simches, Erinnerungen an früher, die die Ferne überwinden.

Etwa 30 Personen, die Jüngste ist zwölf Jahre alt, die Älteste über 80, gehören »Family« und »Familia« an, und sie sind auf nahezu alle Kontinente verteilt. Die beiden Gruppen haben sich noch nie alle zusammen getroffen. Sie leben in Israel, Großbritannien, Deutschland, Argentinien und in den USA und haben wiederum Angehörige in Südafrika, Australien und Mittelamerika.

Zwei Drittel von ihnen sind Aschkenasen, ein Drittel Sefarden, wobei meine aschkenasische Familie aus England mittlerweile eine sefardische Schule besucht und die Sefarden fast alle mit Aschkenasen verpartnert sind. Ursprünglich kam der eine Teil der Familie mal aus Polen und Litauen, der andere aus der Türkei, die einen sprachen Jiddisch, die anderen Ladino.

Heute gibt es diejenigen, die ihr Geburtsland noch nie verlassen haben, und jene, die die halbe Welt bereist haben. Und so hat wahrscheinlich jede jüdische Familie in den letzten vier Generationen ihre Punkte an den entferntesten Orten der Erde gesetzt.

Die Dinge, die alle verstehen

Dennoch gibt es die gemeinsamen Nenner, die Dinge, die alle verstehen, egal, wo sie leben und welche Sprache sie sprechen, egal, ob aus der Aschkenasi- oder der Sefardi-Fraktion, egal, ob orthodox oder konservativ, säkular oder praktizierend, progressiv oder konservativ, Israel oder Diaspora.

Es ist nicht nur das »Mazal Tov, Baruch Dayan HaEmet, Chag Sameach, Modi-Videos, gelbe Schleifen, #bringthemhomenow, Am Israeli Chai!«. Unser gemeinsamer kultureller Code hat sich in diesem neuen sozialen Raum durchaus weiterentwickelt. Und egal, in welcher Sprache er kommuniziert wird, er bleibt der gleiche.

Als ich Ende Dezember in Tokio gemeinsam mit Hunderten Fremden die Chanukkakerzen anzündete, habe ich diese Nachricht an alle versendet: »Look at this: Lighting the Hanukkah Candles in Tokyo, Japan! Chag Sameach everyone from the other part of the world!«

Und in die andere Gruppe: »Miren esto: Prendiendo las velas de Jánuca en Tokio, Japon! Jag Sameaj a todos desde la otra parte del mundo!«
Aus der Ferne bin ich dankbar dafür, dass wir diesen Ort haben, an dem wir uns treffen. Und aus der Chanukkia, die am anderen Ende der Welt stand, habe ich ein Glitzer-GIF gebastelt und darunter geschrieben: »Kol HaOlam Kulo Gescher Zar Meod. Veha’ikar lo lefached klal.«

Die ganze Welt ist eine schmale Brücke, und das Wichtigste ist, keine Angst zu haben. Auch nicht im neuen Jahr.

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

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