Lesen!

Stefan Zweig

Lesen!

Stefan Zweig

Stefan Litt hat die »Jüdischen Erzählungen und Legenden« des Schriftstellers ediert – erst mit der dritten Erzählung erkennt man den stilsicheren Autor wieder

von Daniel Hoffmann  14.11.2022 12:42 Uhr

Nach dem 2020 von ihm herausgegebenen Buch Stefan Zweig. Briefe zum Judentum hat Stefan Litt mit Zweigs Jüdischen Erzählungen und Legenden erneut einen Band ediert, der diesen international erfolgreichen deutschen Schriftsteller in seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Judentum präsentiert.

In einem Brief aus dem Jahr 1913 hat Zweig über sein Judentum geschrieben: »Ich verstehe es nur als Gefühlstatsache, als formlose, grenzenlose und unabgrenzbare; ich spüre, dass wir jeder damit etwas anderes meinen und jeder nur das, was er davon ist.«

ZEITRAUM Was Zweig selbst mit seinem Judentum gemeint hat, können Leser durch die erstmalige Zusammenstellung von Erzählungen, in denen jüdische Themen im Vordergrund stehen, herausfinden. Wer Zweig als mitreißenden, psychologisch sensiblen Erzähler kennt, der einen eleganten, nur selten durch pathetische Aufschwünge gestörten Stil zu schreiben vermochte, wird mit den sechs Erzählungen, die aus dem langen Zeitraum von 1902 bis 1936 stammen, nicht ganz zufrieden sein. Die frühesten Erzählungen sind durch einen penetrant pathetischen Stil schwer erträglich.

Erst mit der dritten Erzählung, »Untergang eines Herzens«, erkennt man den stilsicheren Autor Zweig wieder. Jedoch bleibt nach der Lektüre aller Texte ein unbehagliches Gefühl zurück, dass man in ihnen nicht dem »echten« Zweig begegnet ist. Das liegt wohl daran, dass das, was Zweig vom Judentum in sich hatte und was er poetisch mit ihm auszudrücken vermochte, allzu wenig war.

PRÄGUNG Zudem ist dieses wenige deutlich von der beherrschenden christlichen Kultur seiner Zeit mitgeprägt worden. Das zeigt selbst die als Legende angelegte Erzählung »Rahel rechtet mit Gott«, deren Nähe zu den »spätantiken Vorbildern« der Midraschim Stefan Litt in seinem sonst kundigen Nachwort nur behauptet, aber nicht nachweist. Der Wortschatz von Rahels Brandrede gegen einen zornigen Gott stammt doch eher aus den Vorurteilen der christlichen Kultur gegen das Judentum.

Erst in der letzten Erzählung, »Der begrabene Leuchter«, für die sich Zweig von Joseph Roth und Schalom Asch unterstützen ließ, findet er annähernd zu einer Erzählhaltung, die das Etikett »Jüdische Erzählungen« rechtfertigt.

Stefan Zweig: »Jüdische Erzählungen und Legenden«. Hrsg. von Stefan Litt. Jüdischer Verlag, Berlin 2022, 319 S., 26 €

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025

Kunst

Öffnet die Herzen!

Die Israelin Bracha Lichtenberg Ettinger fordert mit einer intensiven Einzelschau in Düsseldorf die Besucher heraus

von Eugen El  15.06.2025

Interview

Susan Sideropoulos über Styling-Shows und Schabbat

GZSZ-Star Susan Sideropoulos hat im ZDF die neue Makeover-Show »That’s My Style«. Nur wenige wissen jedoch, wie engagiert die Enkelin jüdischer NS-Opfer gesellschaftspolitisch ist

von Jan Freitag  13.06.2025

Aufgegabelt

Pastrami-Sandwich

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Streaming

Doppelte Portion Zucker

Mit »Kugel« ist den Machern der Kultserie »Shtisel« ein vielschichtiges Prequel gelungen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025

TV-Tipp

Das Schweigen hinter dem Schweinderl

»Robert Lembke - Wer bin ich« ist ein kluger Film über Verdrängung, Volksbildung und das Schweigen einer TV-Legende über die eigene Vergangenheit. Nur Günther Jauch stört ein wenig

von Steffen Grimberg  12.06.2025

Kulturkolumne

Annemarie, Napoleon und ich

Gute Bücher wachsen mit, hat mein Großvater immer gesagt. Warum »Desirée« von Annemarie Selinko uns alle überleben wird

von Sophie Albers Ben Chamo  12.06.2025

Aufgegabelt

Himbeer-Sorbet mit Zaatar

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  12.06.2025