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Sigmund Freud und die Religion

Liv Lisa Fries als Anna Freud Foto: picture alliance / Everett Collection

1938 flüchtete Sigmund Freud vor den Nazis nach London. Im Jahr bis zu seinem Tod empfing er zahlreiche Prominente. Ob auch C. S. Lewis in Maresfield Gardens vorbeischaute, jener Literaturwissenschaftler, der später unter anderem Die Chroniken von Narnia verfasste, ist nicht sicher.

Auf dieser Spekulation basiert das Buch The Question of God, in dem Armand Nicholi die beiden Denker zusammenführt. Basierend auf der Theaterversion adaptierte Matthew Brown den Disput nun für die Leinwand. Freud – Jenseits des Glaubens (ab 19. Dezember im Kino) kreist um das Motiv der Religion. Doch während der frühere Atheist Lewis in der Theologie Trost für den Krebstod seiner Frau fand, sah Freud in Religionsausübungen eine Parallele zu zwangsneurotischem Verhalten.

So verwundert es nicht, dass der Psychoanalytiker seinen Besucher anfangs wie einen Patienten auf der Couch behandelt. Unterbrochen von Rückblenden und elegischen Darstellungen seelischer Zustände, rekapituliert der Film, wie beide Männer aus ihrer Lebensgeschichte heraus unterschiedliche Zugänge zu Themen wie Schmerz, Leid, Tod und Sexualität entwickelten. In einer Szene vertieft Lewis sich spätnachts noch in die biblische Schöpfungsgeschichte. Bis seine Frau hinzutritt und ihn an seinen schöpferischen Job im Ehebett erinnert. Britischer Humor.

Bei der Illustration der Freudʼschen Motive stößt die Inszenierung an Grenzen. Die Psychoanalyse ist im Wesentlichen eine Redekur, die freie Assoziation lässt sich schwerlich in eine Bildsprache umsetzen. Einmal werden die Gesprächspartner von Bombenalarm aufgestört, obwohl London an jenem 3. September 1939, als England den Deutschen den Krieg erklärte, noch gar nicht angegriffen wurde.

Im Luftschutzkeller zeigt Lewis als Veteran des Ersten Weltkriegs typische Symptome eines Kriegstraumas, ein Zittern mit Panikattacke. Freud hingegen leidet an Oberkieferkrebs im Endstadium und muss die Schmerzen mit Whisky und Morphium betäuben.

Anthony Hopkins als Freud schaut man schon gern zu. Die Regie hätte aber gut daran getan, sein Overacting zu bremsen. Als tiefgläubiger, innerlich zerrissener C. S. Lewis erscheint Matthew Goode interessanter. Der Seitenblick auf Freuds Tochter Anna (Liv Lisa Fries), die möchte, dass der Übervater ihre homoerotische Beziehung absegnet, wirkt etwas hölzern. Browns konventionelle Inszenierung kann den Eindruck eines abgefilmten Kammerspiels nicht ganz abschütteln.

Hans-Jürgen Papier

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