Kolumne

Sicherheit, was für ein absurdes Konzept!

Foto: Sabine Brandes

Dieses Jahr haben die Jamim Nora’im, die zehn Tage zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur, an denen wir uns in dieser Welt noch einmal neu verorten, bevor unser Schicksal im Buch des Lebens besiegelt wird, eine besondere Schwere. Denn in die diesjährigen Jamim Nora’im fielen nach dem gregorianischen Kalender zwei Daten, die unsere Lebenswelt umklammern wie Eis und Feuer. »Who by fire …«

Der 7. Oktober hat uns das vergangene Jahr über jeden Tag begleitet, er hat eine neue Ära eingeläutet und uns sowohl persönlich als auch kollektiv erschüttert und miteinander verbunden. Dann ist da auch der 9. Oktober, der Anschlag auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur, der sich dieses Jahr zum fünften Mal jährte. Diese beiden Daten sind für mich Symbole dafür geworden, dass wir getroffen werden, wo wir uns am sichersten fühlen und gleichzeitig nicht sicher sind.

Sicherheit, was für ein absurdes Konzept! Fast so absurd wie das Konzept der Hoffnung. Und doch brauchen wir beides, um weiterzuleben. Woran denke ich also in den Jamim Nora’im, den »schrecklichen Tagen« zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur?

Ich denke daran, wo Blumen wieder gedeihen, völlig unverhofft. Ich denke an den 10. Oktober vor genau einem Jahr, als wir uns noch in einer Starre befanden und ich mit Rabbinerin Rebecca Blady aus unserem gemeinsamen Sammelband las, im TEKIEZ in Halle, dem Ort, der 2019 der Kiez-Döner der Tekin-Brüder war, und der neben der Synagoge zu einem weiteren Anschlagsziel wurde.

Das TEKIEZ ist vielleicht der atmosphärisch wärmste Ort in Halle

Der Ort, der nach unglaublichen Mühen, dem Engagement und der Beharrlichkeit einiger wunderbarer Menschen um die »Soligruppe 9. Oktober« und von Ismet Tekin selbst heute vielleicht der atmosphärisch wärmste Ort in Halle ist.

Wir lasen dort in diesem dicht gefüllten Raum im Rahmen des »Festival of Resilience«. Rebecca Blady las ihren Text, der auch das Überleben dieses Anschlags thematisierte, und in diesem surrealen Zustand, nachdem die Massaker des 7. Oktober erst drei Tage zuvor geschehen waren, dachte ich daran, dass ich diesen Gedanken nicht mehr loslassen darf: Dass an Orten, an denen eine Katastrophe geschehen ist, auch wieder Wärme entstehen kann. Ist das also Hoffnung?

Kann Hoffnung vergehen, die über 2000 Jahre alt ist?

Kann Hoffnung vergehen, die über 2000 Jahre alt ist? Ich denke daran, dass Hoffnung auch eine Selbstvergewisserung ist. Dass Menschen die Hatikwa schon sangen, bevor es den Staat Israel gab. Ich denke daran, dass im Judentum das Zweifeln gestattet ist.

Und an die Initiative »Café Otef« in Tel Aviv, die Menschen aus dem »Gaza Envelope«, der Umgebung des Gazastreifens, beim Wiederaufbau ihrer Kibbuzim unterstützt. Eine Filiale, benannt nach dem Kibbuz Re’im, bietet »Dvir Chocolates« an – in Erinnerung an den am 7. Oktober ermordeten Chocolatier Dvir Karp. Auf Bechern und Beuteln ist der Schriftzug »We will thrive again« zu sehen, »Wir werden wieder gedeihen« – und die Anemone, die im »Gaza Envelope« wächst.

Antisemitismus

Kanye Wests Hitler-Song »WW3« ist Hit auf Spotify

Der Text ist voller Hitler-Verehrung, gleichzeitig behauptet der Musiker, er könne kein Antisemit sein, weil er schwarz sei

 13.05.2025

JFBB

Die bessere Berlinale

Das 31. Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg sorgte für eine scharfe Kontroverse, aber vor allem für Dialog und gutes Kino

von Ayala Goldmann  13.05.2025

Kulturkolumne

Shkoyach!

Der Soldat im Speisewagen oder: Warum hören wir nicht öfter zu?

von Ayala Goldmann  13.05.2025

"Imanuels Interpreten" (9)

Der bessere Donald

Der Keyboarder, Sänger und Komponist Donald Fagen gibt der Pop-Musik etwas, das sie dringend braucht: eine große Portion Qualität

von Imanuel Marcus  13.05.2025

Leon Botstein

»Ich möchte wunderbare Musik verteidigen«

Der Chefdirigent des American Symphony Orchestra über vergessene Komponisten, Hannah Arendt und die Hochschulpolitik von Donald Trump

von Christine Schmitt  13.05.2025

ESC

Yuval Raphael: »Bin hier, um Hoffnung zu bringen«

Trotz Boykottaufrufen bleibt Israels Kandidatin für den Wettbewerb optimistisch: Mit ihrem Song »New Day Will Rise« will sie ein Zeichen für Hoffnung und Zusammenhalt setzen

 13.05.2025

Berlin

Ruth Ur wird neue Direktorin der Stiftung Exilmuseum in Berlin

In Berlin soll ein Museum über die Menschen entstehen, die vor den Nazis ins Exil flohen. Die Stiftung, die das Vorhaben vorantreibt, bekommt nun eine neue Direktorin

von Alexander Riedel  12.05.2025

Kulturpolitik

Kulturrat berät künftig zu Antisemitismus

Ziel sei es, Handlungssicherheit innerhalb des Kulturbereichs zu gewinnen

 12.05.2025

Tschechien

Holocaust-Museum in ehemaliger Schindler-Fabrik eröffnet

Der Unternehmer Oskar Schindler rettete viele Juden vor den Nazis. Seine Rüstungsfabrik verlegte er 1944 von Krakau nach Brnenec im heutigen Tschechien. Nun ist dort ein Museum eröffnet worden

 12.05.2025