Sprachgeschichte(n)

Schabbesschmuser und andere Gauner

Hängen »Schmu« (für Betrug) und »Schmus« zusammen? Foto: Thinkstock

Mit »Das ist doch alles Schmus!« oder »Erzähl nicht solchen Schmus!« quittieren wir das wortreiche Getue mancher Gesprächspartner. »Das ist so ein Frankfurter Schmus« ist nach Weinberg in Die Reste des Jüdischdeutschen (1969) »eine Redensart oder Anekdote, wie sie unter den Frankfurter Juden geläufig war«.

Die Rotwelschformen »schmuoß« und »schmußen« (schwatzen) wurden ins Deutsche entlehnt, denen das jiddische »schmues« (Gehörtes, Gerüchte) zugrunde liegt, das seinerseits auf das biblisch-hebräische »sch’mua« (Nachricht, Kunde, Neuigkeit) und die Pluralform »sch’muot« beziehungsweise »sch’muauss« (unnützes Geplauder, auch: Geklatsche) zurückgeht.

»Schmus« kommt auch in Dialekten und Sondersprachen vor. Karl Schmidt deutet im Aufsatz über hebräisch-jiddische und rotwelsche Ausdrücke im Eichstetterischen »Schmus und G’schmus« als »schön-süßes Gerede« und führt unter anderem den »Klugschmuser« (Besserwisser) an.

Im Basler Glossar von 1733 bezeichnete die »blatte Schmuserey« die »Diebssprache«, in Avé-Lalle mants Untersuchung über Das Deutsche Gaunertum (1862) ist der »Schmuser« ein »Gauner, welcher die Aufmerksamkeit des zu bestehlenden Ladeninhabers durch lebhafte Unterhaltung vom Diebe ablenkt«.

Verb Das Verb »schmusen«, das heute für den Austausch von Zärtlichkeiten steht, benutzte Carl Falkenberg 1816 im Versuch einer Darstellung der verschiedenen Klassen von Räubern, Dieben und Diebeshehlern noch im Sinne von »plaudern, schwätzen, reden«: »Wenn sich Diebe untereinander auffordern, Kochum zu schmusen oder zu loschen, so heißt dieses mit anderen Worten: dass sie sich untereinander in der Diebessprache unterhalten wollen.« 150 Jahre später kannte Werner Weinberg sogar das Wort »weitschmuser« für das Telefon.

Heidi Sterns Wörterbuch zum jiddischen Lehnwortschatz in den deutschen Dialekten (2000) belegt die produktive Wortbildung des Lexems. Selbst »Schmenkenkes« ist zum Beispiel als Mischung aus »Schmus« und »Menkenke« (inhaltsloses Gerede) zu werten. Das Südhessische Wörterbuch (1965) nennt »Advokatenschmus« für anwaltliches Gerede, das Bayerische Wörterbuch (1996) erwähnt den vermittelnden »Heiratsschmuser« als seit dem 17. Jahrhundert sondersprachlich belegtes Synonym für den »Schadchen«.

Im Frankfurter Wörterbuch (1971) und im Pfälzischen Wörterbuch (1987) steht »Schabbesschmus« für wortreiches Gerede, mit dem jüdische Händler ihre Ware anpreisen, um Kunden zu überreden. Für makelnde Juden (vor allem beim Viehhandel) listet das Rheinische Wörterbuch (1948–1958) den Ausdruck »Schmusjude« auf.

Nebengewinn Hängen »Schmu« (für Betrug) und »Schmus« also zusammen? Nach Siegmund A. Wolfs Wörterbuch des Rotwelschen (1985) könne man »Schmu« als ablenkendes Schmusen deuten, »welches das unbeachtete Einstreichen des kleinen Nebengewinns ermöglicht«, wofür die Form »schmousgeld« spreche. Für Meir Fraenkel (in der Zeitschrift Muttersprache, 1960) sind »Schmuh« und »Schmu« Schwundformen von »Schmuggel«.

Nach Wolf könnte auch das homonyme »schmue« (Vulva) »insofern herangezogen werden, als «Vulva» oft mit «Tasche» gleichgesetzt wird – so wie das niederdeutsche «Bifickengeld» für «kleines Geldgeschenk» als unerhebliche Bestechung: «Da niederdeutsch ›Ficke‹ = Tasche ist, kann bei ›Schmugeld‹ ein ähnlicher Gedankengang vorliegen.»

Österreich

Neue Direktorin für das Jüdische Museum Hohenems

Historikerin Irene Aue-Ben-David übernimmt die Leitung und bringt internationale Erfahrung aus Jerusalem mit

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Basel

Mann wollte Juden während des ESC angreifen

Kurz vor dem »Eurovision Song Contest« in der Schweiz wurde ein 25-Jähriger wegen konkreter Gewaltdrohungen festgenommen und ausgewiesen

von Nicole Dreyfus  16.12.2025

Berlin

Umstrittene 88: Der schwierige Umgang mit rechten Codes

Im Berliner Fußball sorgt die Debatte um die Rückennummer 88 und dem Hitler-Bezug für Kontroversen. Warum das Verbot erneut scheiterte und wie der Fußball insgesamt mit rechtsextremen Codes umgeht

von David Langenbein, Gerald Fritsche, Jana Glose  16.12.2025

Wien

ESC 2026: ORF will israelfeindliche Proteste nicht ausblenden

Die Debatte und der Boykott einzelner Länder wegen der Teilnahme Israels haben den ESC 2026 bisher überschattet. Auch beim Event im Mai selbst drohen Proteste. Wie geht der ORF damit um?

 16.12.2025

Washington D.C.

Trump sorgt mit Angriffen auf ermordeten Rob Reiner für Empörung

Der jüdische Regisseur sei an einem »Trump-Verblendungssyndrom« gestorben, schreibt der Präsident. Dafür erntet er seltene Kritik aus den eigenen Reihen

 16.12.2025

Nachruf

Filmproduzent mit Werten

Respektvoll, geduldig, präzise: eine Würdigung des sechsfachen Oscar-Preisträgers Arthur Cohn

von Pierre Rothschild  15.12.2025

Meinung

Xavier Naidoos antisemitische Aussagen? Haken dran!

Der Mannheimer Sänger füllt wieder Konzertsäle. Seine Verschwörungserzählungen über Juden und holocaustrelativierenden Thesen scheinen kaum noch jemanden zu stören

von Ralf Fischer  15.12.2025

Los Angeles

Bestürzung über Tod von Rob Reiner und Ehefrau Michele

Der jüdische Regisseur und seine Frau wurden tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei behandelt den Fall als mögliches Tötungsdelikt

 15.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025