Interview

Roth: Schwerpunkt als Staatsministerin auf Erinnerungskultur

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Archiv) Foto: imago images/Chris Emil Janßen

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) will einen Schwerpunkt in ihrem Amt auf die Erinnerungskultur legen. Dabei gehe es etwa um die Frage, wie Erinnerung in Zeiten ohne Zeitzeugen aussehen könne, sagte sie im Interview der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (Montag). Auch wolle sie die Erinnerungskultur um den Bereich der Dekolonialisierung erweitern. Als weitere Schwerpunkte nannte Roth die »Gesellschaft der Vielen« und den Kampf gegen den Klimawandel.

Bei der Gedenkkultur gehe es nicht darum, in der Vergangenheit stehen zu bleiben, betonte die Politikerin. »Im Bundestag sind wir mit einer Partei konfrontiert, die dort einen Schlussstrich ziehen will, wo es keinen Schlussstrich geben kann.« Der Umgang damit sei eine Herausforderung.

documenta Zudem fordert sie eine »aufklärende Debatte« über Antisemitismusvorwürfe gegen die Kuratoren des im Juni beginnenden Kunstfestivals documenta in Kassel: »Wir müssen die Debatte führen. Antisemitismus geht nicht.« Die documenta habe als eine der weltweit wichtigsten Kunstveranstaltungen immer schon Kontroversen hervorgerufen – die auch ausgetragen werden müssten, so Roth. »Antisemitismus aber hat in unserem Land nichts zu suchen und auch auf der documenta keinen Platz.«

Ausgangspunkt der Debatte sind Vorwürfe gegen das indonesische Künstlerkollektiv »Ruangrupa«, das die documenta 2022 vorbereitet, kuratiert und teilnehmende Künstlerinnen und Künstler auswählt. Im Januar hatte die Kasseler Initiative »Bündnis gegen Antisemitismus« den Organisatoren vorgeworfen, die Ausstellung als Plattform zur Verbreitung israelfeindlicher Positionen zu missbrauchen. Mehrere Unterstützer der israelfeindlichen Boykott-Bewegung BDS fänden sich im Team rund um »Ruangrupa«, so das »Bündnis gegen Antisemitismus« in einem anonym verfassten Text. Das Künstlerkollektiv »Ruangrupa« wies die Vorwürfe und jede antisemitische Tendenz von sich.

Roth sagte nun: »Ich habe null Akzeptanz für Antisemitismus innerhalb oder außerhalb des BDS.« Eine andere Frage sei aber, wie man mit Gruppen oder Menschen aus Regionen umgehe, in denen es Auseinandersetzungen etwa zur Zwei-Staaten-Lösung gebe? »Da wehre ich mich gegen eine Lesart nach dem Motto: Wenn ein Kollektiv aus Indonesien kommt, hat das ja einen islamischen Hintergrund, und dann muss es da eine Nähe zum Antisemitismus geben«, sagte Roth.

»Ruangrupa« habe zudem »sehr positiv auf den Vorschlag reagiert, dass mit namhaften Expertinnen und Experten auch aus Israel genau diese Debatte geführt wird.« Die Veranstalter und die Kuratoren der documenta hätten »sehr deutlich gesagt, dass sie jede Form von Antisemitismus und Rassismus ablehnen«, betonte Roth.

KOLONIALGESCHICHTE Zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte sagte Roth, dass Experten sich seit Längerem mit diesem Thema befassten. »Aber wer kriegt das in der Schule mit? Gibt es bei uns nicht eine Tendenz, zu sagen, das ist die Aufgabe der Franzosen, Spanier, Portugiesen, Niederländer, Belgier, aber wir haben damit nichts zu tun?« Es gehe nicht allein um Rückgabe von Kulturgütern wie den Benin-Bronzen. »Es geht um Kooperation, um gemeinsame Zukunft von deutschen und afrikanischen Museen auf Augenhöhe.«

Im Hinblick auf die Corona-Pandemie begrüßte Roth, dass die Berlinale ab kommenden Donnerstag physisch stattfinden wird. Dies sei »ein Signal an die Kinos und die Kulturszene überhaupt. Wir lassen sie uns von dieser Pandemie nicht kaputt machen.« Die Filmfestspiele in den Sommer zu verschieben, wäre aus ihrer Sicht keine Alternative gewesen: »Dann wären alle wichtigen Filme schon in Cannes gelaufen, und der Kulturstandort Deutschland hätte gelitten.«

Die Kinos sollen bei der Berlinale nur zu 50 Prozent ausgelastet werden; auch die Zahl der Filme haben die Veranstalter mit 256 Lang- und Kurzfilmen gegenüber 2020 um 25 Prozent reduziert – obwohl es wieder deutlich mehr Einreichungen gab.

Zur Debatte um das Humboldt-Forum erklärte Roth, dass das Kreuz auf der Kuppel kontextualisiert werden solle, sei das Allermindeste«. Und weiter: »Das Humboldt-Forum ist ja nicht der Vatikan.« Kritiker hatten das 2020 aufgesetzte Symbol als schlechtes Signal etwa für die Restitutionsdebatte bezeichnet. Zuletzt hatte die Einrichtung angekündigt, das Spruchband um die Kuppel anzupassen. kna/ja

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025