Der Psychiater und Holocaust-Überlebende Otto Kernberg sieht in den amerikanischen und russischen Präsidenten bösartige narzisstische Persönlichkeiten, die sich selbst als großartig empfinden und aggressiv gegen Feinde vorgehen. Zwar könne er keine psychologische Diagnose über Donald Trump und Wladimir Putin abgeben, sagte der 97-Jährige am Mittwoch in Köln. Aber auf der politisch-gesellschaftlichen Ebene zeige sich dieses Symptom.
Bei bösartig-narzisstischen Menschen gehe das Gefühl der Großartigkeit und Überlegenheit mit Verachtung anderer einher. Dahinter stehe ein außerordentlicher Neid, der durch traumatische Erfahrungen in Kindheit und Jugend zugrunde gelegt worden sei. Die Verachtung könne zerstörerische Formen annehmen und sich in Aggressionen gegen andere Gruppen auswirken. In politischen Führungspositionen seien die Betroffenen erst dann zufrieden, wenn sie sich als Personen erleben, die alles kontrollieren und von Anhängern und anderen bewundert werden.
Kernberg benennt Fehler der US-Politik
Zwischen solchen nazistischen Persönlichkeiten und ihren Anhängern gibt es laut Kernberg eine gegenseitige Identifikation. Die Führungspersönlichkeit gebe den Anhängern mitunter die moralische Freigabe, gegen andere Gruppen aggressiv zu sein. Und wenn es der Kampfkraft helfe, akzeptierten sie auch Lügen.
Nach den Worten des Psychiaters hat die Politik in den USA in den vergangenen 20 Jahren sich vor allem Einwanderern, Schwarzen und Benachteiligten zugewendet, die Landbevölkerung und weiße Mittelschicht aber vernachlässigt. Auf diesem Hintergrund habe sich eine extreme Ideologie entwickeln und Trump groß werden können.
Bei Putin zeige sich die Aggression unter anderem in der Ermordung von Gegnern. Trump sei bislang nicht so weit gegangen, bekämpfe aber mithilfe des Justizministeriums seine Feinde. »Das juristische System ist geschwächt durch Verzerrung des Rechtssystem«, so Kernberg.
Trump sehe sich nicht als Präsident von Amerika, sondern als der Republikaner. Genau wie in Russland strebe er eine Einheitspartei an. Nur durch eine »aggressive Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte« und soziale Proteste könne dem entgegengewirkt werden. »Die demokratische Partei hat das bisher nicht geschafft«, sagte Kernberg. Das in der amerikanischen Verfassung grundgelegte politische System sei leichter zu unterminieren, als man sich das bislang vorgestellt habe.
Kernberg wurde 1928 in Wien geboren und floh 1939 mit seiner jüdischen Familie vor den Nationalsozialisten nach Chile. Seit den 1960er Jahren lebt und arbeitet er in den USA, unter anderem als Professor für Psychiatrie an der Cornell University. Er gehört zu den bekanntesten Psychiatern und Psychoanalytikern. Der Forscher zu Persönlichkeitsstörungen gilt besonders als Experte für Narzissmus sowie als »Erfinder« der Borderline-Störung und entsprechender Therapien.