Architektur

Pappe zum Wohnen

Es sieht aus wie eine lange Schachtel, ist drei Meter breit, fünfeinhalb Meter lang, 200 Kilo schwer und lässt sich innerhalb weniger Minuten aufbauen. Es soll Schutz bieten vor Wind und Wetter und ein Gefühl von Sicherheit und Privatsphäre vermitteln. »Instant Home« haben der Architekturprofessor Ariel Auslender und seine Studenten der Technischen Universität Darmstadt das faltbare Haus aus dickwandiger Wabenpappe genannt, das sie für den Einsatz in Krisengebieten und Flüchtlingslagern entworfen haben.

Es soll das Leben der oft traumatisierten Menschen verbessern und eine ökologisch sinnvolle Alternative zum Plastikzelt sein. Ein Prototyp des biologisch abbaubaren Papphauses existiert bereits. Der Fachbereich Architektur hat es zusammen mit den Bereichen Chemie und Maschinenbau, Abteilung Papierfabrikation, angefertigt.

Die Idee für die Projektarbeit zum »Instant Home« kam Ariel Auslender, als er im Fernsehen die Bilder von den Erdbeben- und Tsunamifolgen auf Haiti sah. Wie kann man betroffenen Menschen, die durch Katastrophen und Kriege alles verlieren, schnell helfen, fragte er sich. Wie lassen sich möglichst rasch Unterkünfte schaffen, die Flüchtlingen mehr Sicherheit, Lebensqualität und Geborgenheit bieten als provisorische Zeltstädte?

Argentinien Fragen, die den Professor für Plastisches Gestalten nicht mehr losließen – vielleicht auch, weil er und seine jüdische Familie selbst in ihrem Leben erfahren haben, was es heißt, die Heimat hinter sich zu lassen. Auslender ist gebürtiger Argentinier. Seine Familie stammte ursprünglich aus Polen und Litauen und floh noch vor dem Ersten Weltkrieg vor antisemitischen Pogromen nach Südamerika.

Auslender ist Bildhauer. Er verließ Buenos Aires 1982, als der Falklandkrieg mit Großbritannien begann. Gerade einmal 22 Jahre alt, emigrierte er nach Italien, arbeitete in Carrara, dem Ort seiner Bildhauerträume. Über ein Stipendium kam er an die Münchner Kunstakademie. Seit 2006 arbeitet er als Professor für Plastisches Gestalten an der TU Darmstadt.

Seinen Studenten stellte Ariel Auslender die Aufgabe, ein Papierhaus zu konstruieren, das seinen hohen Ansprüchen genügen sollte: Faltbar sollte es sein, nicht zu teuer, aus biologisch abbaubarem Material bestehen, schnell und unkompliziert aufzubauen – und »es sollte mindestens ein Jahr halten«, wie er betont.

Der Architekt spricht von »einer Vision«. Die war interdisziplinär leichter umzusetzen, und so tat er sich mit Kollegen aus den Fachbereichen Chemie und Maschinenbau der TU Darmstadt zusammen. Gemeinsam mit Samuel Schabel vom Fachgebiet Papierfabrikation und mechanische Verfahrenstechnik sowie Markus Biesalski vom Fachgebiet Makromolekulare Chemie entwickelte er mit den Studenten einen Prototyp.

Module Grundlage ist ein Entwurf, den die Architekturstudentin Dong-Yoon Chu gestaltet hat und der wie ein auseinanderfaltbarer Schuhkarton aussieht. Türen, ausklappbare Fenster und ein System aus Regalen und Trennwänden im Innern gehören dazu. Die Module sind kombinierbar. Mehrere Elemente können wie Legosteine aneinander oder übereinander gebaut werden. So entsteht schnell eine Art Stadt mit Häusern, Wegen und einer Ordnung, sagt Auslender.

Er betont die psychologische Komponente: »Wir wollten weg von dem provisorischen Charakter der Zeltstädte.« Die Darmstädter Papierhäuser böten mehr Schutz vor Schall, Kälte oder Hitze. Sie vermittelten ein größeres Gefühl von Sicherheit und auch Intimsphäre für die Menschen und Familien. »Das ist nicht zu unterschätzen«, findet Auslender. Und weil sie biologisch abbaubar sind, hinterließen sie zudem keine Müllberge.

Je nach Standort und Witterung kann das »Instant Home« unterschiedlich beschichtet werden, erläutert der Chemiker Markus Biesalski. Wasserabweisend, hitzebeständig oder atmungsaktiv kann das Haus ausgerüstet werden oder auch antibakteriell, wenn es beispielsweise als Krankenstation genutzt werden soll. Natürlich sollen Beschichtungen aus nachwachsenden Rohstoffen verwendet werden, wie etwa Holz oder neuartige Biokunststoffe.

Auf rund 2000 Euro beziffern die Professoren die Materialkosten für das Papierhaus. In der Entwicklungsphase wurde das Projekt mit 50.000 Euro vom Forum für internationale Forschung (FIF) unterstützt.

Jetzt geht es darum, Finanziers aus der Industrie zu finden, um in größeren Stückzahlen produzieren zu können. Auslender und seine Kollegen wollen zudem Kontakte zur Weltgesundheitsorganisation (WHO), zum Technischen Hilfswerk, zum Roten Kreuz oder zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit knüpfen. Eine Stückzahl von einer Million Häusern schwebt ihnen vor. Einsatzorte, Krisenherde und Notsituationen gibt es leider genug.

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