Jüdisches Museum Berlin

Nashörner in Kreuzberg

Was ist sein Lieblingstier im Kindermuseum Anoha? Das sei die schwierigste Frage, die ihm in seinem Berufsleben gestellt wurde, sagt Martin Michaelis, geschäftsführender Direktor des Jüdischen Museums Berlin.

Erst habe er an den Mops gedacht, aber dann hätten die Grundschüler des Kinderbeirats ihn darauf aufmerksam gemacht, wie toll der Orang-Utan sei, der die anderen Tiere mit auf die Arche Noah nimmt und so vor der Sintflut rettet. Ein Grund für Michaelis, nun dieses Tier auszuwählen.

SINTFLUT Mit seinem zotteligen rotbraunen Fell hängt der Orang-Utan in einer Schaukel gleich am Museumseingang. Ab dem 17. Mai können die Kinder selbst die Tiere in die Arche Noah tragen, schieben oder mit vereinten Kräften an Seilen hereinziehen. Denn hier sollen Drei- bis Zehnjährige alles anfassen können.

»Bei uns gibt es keine Vitrinen. Wenn ein Detail einmal beschädigt wird, lassen wir es reparieren«, betont Michaelis.

»Anoha« soll die Kinderwelt heißen, das hat der Kinderbeirat entschieden, dem auch Schüler der Heinz-Galinski-Schule angehören. Anoha nimmt die biblische Erzählung der Arche Noah als Startpunkt zu einer Reise in die Zukunft, beschreibt Ane Kleine-Engel, Leiterin der Kinderwelt, das Konzept. Im Zentrum stehen das Schiff, die Tiere und die Kinder selbst. Sie werden eingeladen, an Bord zu gehen und die Arche gemeinsam zu steuern.

Dabei erleben sie Geschichten von Schöpfung, Neuanfang, Vielfalt und einem nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen. »Die Erzählung von der Sintflut und einer rettenden Arche vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher und ökologischer Fragen kann man neu deuten«, sind sich die Ausstellungsmacher einig.

RAUMSCHIFF Das Publikum des Jüdischen Museums sei ungewöhnlich jung, erläutert Michaelis. Jeder fünfte Besucher ist unter 20. Deshalb entstand vor Jahren die Idee, eine Kinderwelt zu schaffen. Zumal die ehemalige denkmalgeschützte Blumenhalle gegenüber dem Haupthaus Platz dafür bietet.

Der bauliche Entwurf der Arche stammt von Alan Maskin vom Büro Olson Kundig Architecture and Exhibit Design aus den USA. Sie ist rund und sieben Meter hoch, hat einen Durchmesser von 28 Metern und besteht aus hellem Fichtenholz – ein Haus im Haus. Es soll an die Arche und an ein Raumschiff erinnern, Vergangenheit und Zukunft verknüpfen.

Und da es Flutgeschichten in fast allen Religionen und Kulturen gebe, ermögliche sie eine Religionen und Kulturen übergreifende Herangehensweise, erklärt der Architekt.

Über eine Giraffen-Rutsche oder barrierefrei gelangen die Besucher zur Arche.

Nachdem die Kinder durch einen Gang gelaufen sind, in dem Töne und Lichteffekte den drohenden Sturm nachempfinden, gelangen sie über eine Giraffen-Rutsche oder barrierefrei zur Arche, in der die unterschiedlichen Tierskulpturen für Vielfalt stehen wie auch für Neugier und Toleranz gegenüber Fremdem – oder zunächst Furchterregendem. »Die Kids sollen die Rolle von Noah einnehmen«, sagt Maskin.

RECYCLING 150 Tiere bevölkern das Schiff, darunter auch ausgestorbene wie das Mammut oder bedrohte wie der Eisbär. Ihn sollen die Kinder gemeinsam auf die Arche schieben und lernen, dass man das gemeinsam besser hinbekommt. »Zusammen sind wir stark«, meint der Architekt, der lange als Lehrer gearbeitet hat. Das kleinste Tier ist eine sieben Zentimeter große Kakerlake, das größte das drei Meter hohe Mammut.

Und überhaupt haben es die Tiere in sich, denn sie bestehen aus Kochtöpfen, Skateboards, Keramik-Sicherungen, Feuerwehrschläuchen, Stehlampen, Duschvorlegern und anderen recycelten Gebrauchsgegenständen.

Sie sehen so fantasievoll aus, dass alleine das Anschauen und Verstehen Zeit braucht und großes Vergnügen bereitet. »Von Künstlern wurden sie gebaut und von Mitarbeitern auf ihre Sicherheit hin geprüft«, berichtet Anne Metzen, künstlerische Leiterin für die Entwicklung der Tierskulpturen.

Eselin, Spinne und Einhorn entführen in die jüdische Sagenwelt.

Die Tiere dienen auch der Vermittlung von verschiedenen Themen. Eselin, Spinne oder Einhorn, das aus einem Shisha-Rohr und Motorradtanks besteht, wollen in die jüdische Sagenwelt führen, bedrohte Tiere wie Eisbär, Orang-Utan oder Elefant machen auf die Umweltprobleme aufmerksam, und weniger beliebte Tiere wie die Nacktmulle sollen Toleranz, Respekt und Offenheit vermitteln.

Eine Höhlen- und Nestinstallation widmet sich der Nacht auf der Arche. Dort können die jungen Besucher den Geräuschen der Nacht lauschen oder an einer Geruchs-Station mit einer Spielzeugratte Essensreste schnuppern.

RIESENFAULTIER In einem anderen Bereich können die Kinder Schule spielen. Ebenso kann in der Arche gekocht, gebaut und geklettert werden, Tiere werden mit bunten Filzkugeln gefüttert, der Mist gehört in eine Kompostieranlage, zum Ausruhen dient ein Riesenfaultier. Manche Felle der Tiere laden zum Bürsten ein. Ideengeber waren die Schüler des Kinderbeirates.

»Das Kindermuseum kommt ohne Erklärtexte aus«, sagt Anoha-Leiterin Ane Kleine-Engel. An mehreren Stationen werden pädagogische Mitarbeiter stehen, um Fragen zu beantworten und die Hintergründe zu beleuchten. Denn die meisten Kinder, die ab Mai im Anoha erwartet werden, werden noch gar nicht lesen können.

Bis dahin soll im Innenraum noch ein Weltpuzzle entstehen und mit Teleskopen ins All geschaut werden können. Und ein paar Vitrinen wird es dann auch geben: Kinder sollen darin ihre 100 Ideen zur Rettung der Welt vorstellen. Um Kinder aus den benachbarten Kitas und Schulen auf das neue Museum aufmerksam zu machen, wollen Mitarbeiter mit einem Lastenfahrrad die Einrichtungen besuchen und vor Ort fürs Anoha werben.

Hans-Jürgen Papier

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