Wuligers Woche

Masel Tov, Herr Molotow!

Molotowcocktail oder »Masel Tov Cocktail«? Foto: Getty Images / istock

Inserts heißen im Fernsehen die kurzen Texte am unteren Bildschirmrand, die den Zuschauern Zusatzinformationen zum Gezeigten geben sollen. Sie werden zum Beispiel bei Nachrichten oder Interviews eingeblendet. Dabei kann es in der Hektik einer Live-Ausstrahlung gelegentlich zu kleinen Missgeschicken kommen.

Vorige Woche beispielsweise informierte eine amerikanische TV-News-Sendung ihr Publikum, dass Demonstranten Polizisten mit Brandflaschen angegriffen hätten, weithin bekannt unter dem Namen »Masel Tov Cocktails«, wie es im Insert hieß.

Da Joyce’ Held kein Trinker ist, kann er seinen Kummer auch nicht mit einem Masel-Tov-Cocktail herunterspülen.

Auch wenn rechte Verschwörungstheoretiker, die hinter dem Aufruhr in Amerikas Städten die lange Hand von George Soros vermuten, sich dadurch mal wieder bestätigt gefühlt haben sollten: Es handelte sich lediglich um einen Hör- und Schreibfehler. Gemeint waren Molotowcocktails, benannt nach Stalins langjährigem Mitstreiter Wjatscheslaw Molotow. Aber welcher Techniker in einem US-Fernsehstudio kennt noch Molotow? Masel Tov hingegen gehört auch bei nichtjüdischen Amerikanern zum allgemeinen Sprachschatz, ohne dass man wirklich immer weiß, was es bedeutet.

BLOOMSDAY Womit wir bei kommendem Dienstag wären, wenn weltweit die sinnlose Aneinanderreihung hebräischer Begriffe gefeiert wird. Bekannt ist dieses Datum unter dem Namen »Bloomsday«, zu Ehren von James Joyce’ Epos Ulysses. In dem Roman wird auf mehr als 1000 Seiten ein Tag, nämlich der 16. Juni, im Leben des Dubliner Anzeigenakquisiteurs Leopold Bloom beschrieben. Bloom, protestantisch getaufter Sohn eines konvertierten jüdischen Vaters und einer katholischen Mutter, kennt vom Glauben seiner Ahnen nur rudimentäre Bruchstücke, fühlt sich aber dennoch, wie man heute gerne sagt, »irgendwie jüdisch«. Sprich, er ist verwirrt.

In einer Traumsequenz halluziniert er sich in die Rolle des neu gekrönten Königs von Irland. Während im Hintergrund ein Spielmannszug das Kol Nidre intoniert, hält Leopold der Erste seine Thronrede: »Alef Bet Gimel Dalet Haggada Tefillin Koscher Jom Kippur Chanukka Rosch Haschana Beni Brit Bar Mizwa Mazzot Aschkenasim Meschugge Talit.« Säkulare Juden, die nur sehr selten einen Gottesdienst besuchen, werden verstehen, was gemeint ist.

THRONREDE »Masel Tov« kommt interessanterweise in der Thronrede nicht vor. Vielleicht, weil Leopold Bloom im Leben nicht viel Glück hat. Und da Joyce’ Held kein Trinker ist, kann er seinen Kummer auch nicht mit einem Masel-Tov-Cocktail herunterspülen.

Den Drink gibt’s nämlich wirklich. Man nehme drei Zentiliter süßen koscheren Wein von Manischewitz, zwei Zentiliter mexikanischen Mezcal, einen kleinen Schuss Rye-Whisky, einen Spritzer Angostura und etwas Limettensaft. So das Rezept von Anthony Rose, Chef der Bar »Fat Pasha« in Toronto, der dazu gehackte Leber, übergossen mit flüssigem Gänseschmalz, empfiehlt.

L’Chaim und Happy Bloomsday!

Archäologie

Vorform der Landwirtschaft: Steinsicheln für die Getreideernte

Funde aus einer Höhle in Zentralasien stellen Annahmen zur Entstehung der Landwirtschaft infrage. Offenbar liegen deren Ursprünge nicht nur in der Region Vorderasien, die auch das heutige Israel umfasst

von Walter Willems  26.08.2025

Digital

Initiative von Heidelberger Hochschule: Neuer Podcast zum Judentum

»Jüdische Studien Heute« als Podcast: Das neue Angebot der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg will alle zwei Wochen Forschungsthemen aufgreifen und Einblicke in die jüdische Lebenswelt bieten

von Norbert Demuth  26.08.2025

Cerro Pachón

Vera Rubin Observatory startet wissenschaftliche Mission  

Die nach einer jüdischen Wissenschaftlerin benannte Sternwarte auf einem Berg in Chile läutet eine neue Ära der Astronomie ein

von Imanuel Marcus  26.08.2025

Zahl der Woche

1902

Fun Facts und Wissenswertes

 26.08.2025

TV-Tipp

»Barbie« als TV-Premiere bei RTL: Komödie um die legendäre Puppe

Im ersten Realfilm der 1959 von Ruth Handler erfundenen Puppe ist Barbieland eine vor Künstlichkeit nur so strotzende Fantasie

von Michael Kienzl  26.08.2025

Nominierungen

Grimme Online Award: Nahost-Konflikt und deutsche Geschichte im Fokus

In den vier Kategorien kann die Jury des Grimme Online Awards aus den 25 Nominierten bis zu acht Preisträger auswählen

 26.08.2025

Berlin

Götz Aly: Kaum Parallelen zwischen 1933 und heute

Wie konnten die Deutschen den Nazis verfallen und beispiellose Verbrechen begehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Historiker in seinem neuen Buch. Erkennt er Parallelen zu heute?

von Christoph Driessen  26.08.2025

Oberammergau

»Judenfreund«: Regisseur Stückl beklagt Anfeindungen

Christian Stückl leitet die berühmten Passionsspiele in Oberbayern. Lange wurde er dafür gewürdigt, das Werk von judenfeindlichen Passagen befreit zu haben. Nun dreht sich der Wind

 25.08.2025

Kritik

Ukraine verurteilt Auftritt Woody Allens bei Moskauer Filmwoche

US-Filmregisseur Woody Allen lässt sich per Video beim Moskauer Filmfestival zuschalten. In der von Russland angegriffenen Ukraine sieht man den Auftritt alles andere als gern - und reagiert prompt

 25.08.2025