Märzrevolution

Lernort der Demokratie und seine Schattenseiten

Der Gedenkstein auf dem Friedhof der Märzgefallenen in Berlin Friedrichshain Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

In diesem Jahr wird mit vielen Aktionen, Veranstaltungen und Publikationen an das 175-jährige Jubiläum der Revolution von 1848 erinnert, auch als Märzrevolution bekannt. Damals gab es im Deutschen Bund für einen kurzen Zeitkorridor die Hoffnung, dass aus den allgemeinen Reformbestrebungen des Bürgertums eine neue, demokratische orientierte Struktur erwachsen würde, die zu mehr Gleichberechtigung, Freiheit und politischer Beteiligung führen würde. Vor allem für viele Juden war dieses Jahr mit besonderen Hoffnungen verbunden.

Anerkennung nicht nur von Königs Gnaden, sondern als selbstverständlicher Bestandteil der Bürgerrechte schien zum Greifen nah. So waren es viele jüdische Intellektuelle wie der Schriftsteller und Arzt Johann Jacoby, die sich vor allem in Berlin in überdurchschnittlich hoher Zahl an den Protesten beteiligten. Jacoby wurde etwa dadurch berühmt, dass er nach der Übergabe einer Petition dem sich respektlos abwendenden preußischen König Friedrich Wilhelm IV. gegen alle höfischen Regeln die Worte nachschleuderte: »Das ist das Unglück der Könige, dass sie die Wahrheit nicht hören wollen!«

Bis heute ist auch in der Erinnerungsarbeit Wahrheit ein kostbarer Wert.

Es sollte nicht vergessen werden, dass es nicht nur Intellektuelle waren, die damals auf die Straße gingen und vor allem in Städten wie Berlin zahlreich ihr Leben ließen, als der preußische König beschloss, mit brutaler Waffengewalt der Revolution ein Ende zu bereiten. Viele Handwerker, Lehrlinge und Arbeiter befanden sich unter den Demonstranten, darunter auch einige Frauen. Am Ende mussten in Berlin 255 Menschen ihr Leben lassen. Für sie wurde eine extra Ruhestätte in Berlin Friedrichshain eingerichtet: der Friedhof der Märzgefallenen.

Später, im November und Dezember 1918 wurden auch die Opfer der Revolution 1918/19 auf dem Friedhof der Märzgefallenen beerdigt. Die DDR, auf deren Gebiet der Friedhof lag, nahm das Gelände als propagandistischen Gedenkort in Beschlag. Fortan wurde die Revolution von 1848 als eine Art frühe Geburtsstunde des kommunistischen Klassenkampfes umgedeutet. Von den Bestrebungen besonderer Gruppen wie der Juden war da nicht mehr viel die Rede.

Lernort Heute wird der Gedenkort, versehen mit einer neuen historischen Freiluftausstellung, vom Berliner Senat und der Beauftragten für Kultur und Medien unterstützt. Ein Lernort für Demokratie soll es sein, eine Erinnerung an die Revolution und ihre europäischen Dimensionen, auch ein Besinnungsort für die Opfer, die der Kampf für Demokratie im letzten Jahrhundert gefordert hat. Der Träger des Ortes ist der Geschichtsverein Paul Singer.

Auffälligerweise ist das Gelände trotz der Modernisierungen an vielen Stellen höchst fragwürdig. Auf riesigen Steinplatten stehen in dicken Lettern Zitate von Walter Ulbricht, der als maßgeblich Verantwortlicher für die Berliner Mauer sicher kein Zeuge für die Ideen von 1848 ist. Aber auch prominent mit roten Tulpen versehene Banner, auf denen Sprüche wie »Nieder mit dem Kapital« zu sehen sind, erinnern eher an fatale DDR-Rhetorik als eine demokratisch angemessene Form des Erinnerns, bei dem sich viele Gruppierungen wiederfinden können.

So eindrücklich wie der Ort als Topografie am Rande des Parks am Friedrichshain in Berlin liegt, so dürftig ist seine auf ein paar Tafeln verteilte Erinnerungsrhetorik. Die großen Linien vom März 1848 bis hin zum Mai 1949, der Veröffentlichung des Deutschen Grundgesetzes, und schließlich hin zur Friedlichen Revolution vom Oktober 1989 scheinen hier nur marginal auf; ebenso die Geschichte der jüdischen Hoffnungen in und mit dieser Revolution.

Immerhin ist das Begleitprogramm des Jubiläums klug und ansprechend kuratiert. Es sind auch Führungen zu »Jüdischen Perspektiven auf die Märzrevolution« angekündigt.

Genauere Informationen finden Sie auf: www.friedhof-der-maerzgefallenen.de

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