Hören!

Lebensmelodien

Der Klarinettist Nur Ben Shalom Foto: Uwe Steinert

Hören!

Lebensmelodien

Der rbb sendet Kompositionen von jüdischen Komponisten aus der Verfolgungszeit von 1933 bis 1945

von Ayala Goldmann  05.11.2020 08:40 Uhr

»Lebensmelodien sind Melodien des Überlebens von jüdischen Komponisten aus der Verfolgungszeit von 1933 bis 1945«, sagt Michael Raddatz, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Tempelhof-Schöneberg in Berlin.

Die ersten dieser »Lebensmelodien« lernte er durch den israelischen Klarinettisten Nur Ben Shalom kennen, der am 9. November 2018 bei einer Gedenkveranstaltung vor der ehemaligen Synagoge in der Münchener Straße in Berlin spielte.

Hamburg Daraus entstand nicht nur eine Freundschaft, sondern auch ein bundesweites Projekt, gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein. Geplant sind Konzerte unter anderem in Hamburg, Hannover, Mannheim und Cottbus.

Zwei Jahre nach der ersten Begegnung, zwischen dem Theologen und dem Musiker startet das Projekt jetzt – allerdings wurde das Eröffnungskonzert mit Ben Shaloms »Nimrod Ensemble« wegen Corona verschoben. Dennoch überträgt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) am 8. November »Lebensmelodien« als »Musik zum Gedenken« aus der Schöneberger Apostel-Paulus-Kirche per Livestream und zeitlich versetzt in Radio und Fernsehen.

Nur Ben Shalom, der seit zwölf Jahren in Berlin lebt, hat insgesamt etwa 300 Melodien gesammelt – komponiert in Ghettos, Konzentrationslagern oder im Versteck. Manche Stücke lagen in Archiven, andere wurden ihm von Überlebenden oder ihren Kindern zur Verfügung gestellt. Einige Melodien sind sehr bekannt, andere wurden seit 1945 nicht mehr öffentlich gespielt.

Abschiedsbrief Er sei kein Schoa-Historiker und wolle auch nicht mit Musikologen in Konkurrenz treten, betont der 31-Jährige, dessen Großtante Salomea Ochs-Luft als eine der Letzten aus dem Warschauer Ghetto deportiert wurde. Auszüge aus Salomeas Abschiedsbrief wurden im April 2019 beim Karfreitagsgottesdienst in der Apostel-Paulus-Kirche verlesen, begleitet von Melodien, die ihr Großneffe Nur Ben Shalom spielte.

Ihm gehe es darum, zu zeigen, was Menschen in verzweifelten Situationen Hoffnung gab, sagt der junge Israeli. »Bei diesem Projekt geht es nicht um die Werke – es geht um die Menschen, die gesungen und geglaubt haben, entweder an Gott oder an die Menschheit.

Jede dieser Geschichten ist privat, es geht um Familien, um Freundschaften, und das ist es, was die Menschen auch heute anspricht.« Und Michael Raddatz ergänzt: »Durch diese Lebensmelodien bekommen die Ermordeten wieder eine lebendige Stimme.«

Unter den Melodien ist auch eine Version des Pessach-Liedes »Chad Gadja«, komponiert von Shmuel Blasz, einem jüdischen Musiker aus Ungarn. Sein Freund Shmuel Lazarovich versteckte das Notenblatt in einem Schrank. Blasz wurde 1944 nach dem Einmarsch der Deutschen ermordet, sein Freund überlebte – und fand das Lied zwischen den Blättern seiner Pessach-Haggada. Jetzt ist es wieder zu hören.

»Lebensmelodien« am 8. November
ab 18 Uhr im Video-Livestream,
ab 20.04 Uhr im rbbKultur Radio und
am 10. November um 0.40 Uhr im RBB-Fernsehen.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025