Kino

James Bonds Architekt

Eine schöne Frau im Arm und am Steuer eines schnellen Wagens – so kennt man den Geheimagenten seiner Majestät, James Bond. Im Londoner Filmmuseum eröffnet heute die Ausstellung »Bond in Motion«, die die hochmotorisierten Gefährten des Agenten aus 23 Filmen zeigt. Es handelt sich um eine der größten Sammlungen von Original-James-Bond-Fahrzeugen sowie Fahrzeugmodellen und Filmrequisiten. Vieles davon hat der Production Designer Ken Adam entworfen, der den visuellen Stil der Bond-Filme über Jahrzehnte prägte.

In Joseph L. Mankiewiczs Film Mord mit kleinen Fehlern von 1972 sagt Michael Caine in einer der ersten Szenen zu Laurence Olivier, sein Vater habe den italienischen Familiennamen nach seiner Flucht nach England geändert, damit die Kinder Engländer werden. »Engländer werden?«, murmelt Olivier scheinbar zu sich selbst. Wie er diese zwei Worte spricht – in einer Mischung aus Verwirrung und Belustigung ob dieser ihm absurd anmutenden Wunschvorstellung –, das ist genial.

Nicht weniger genial ist das Filmset, in dem sich Olivier und Caine bewegen. Entworfen hat es Sir Ken Adam, der wohl einflussreichste Produktionsdesigner der Filmgeschichte und der Einzige seines Metiers, der mit zwei Oscars geehrt wurde.

autos Geboren wurde Adam 1921 in Berlin. Der Vater betrieb dort das familieneigene Sport- und Modegeschäft S. Adam an der Friedrichstraße, Ecke Leipziger Straße. Nachdem er mit seiner Frau Lilli und den drei Kindern 1934 nach England entkommen war, änderte Fritz Adam zwar nicht den Familiennamen, doch nannte sich sein Sohn Klaus Hugo fortan Ken.

Der Vater zerbrach an der erzwungenen Heimatlosigkeit und starb kurz nach der Emigration 1936. Sein Sohn war jung genug, die gewonnene Zukunft anzupacken und ein Engländer zu werden. »Es war zwar manchmal etwas hart«, erinnert er sich, »aber wenn du jung bist, und ich war ja erst 13 Jahre, als wir hierherkamen, dann ist alles ein einziges Abenteuer!«

Ken Adam sitzt, während er das erzählt, auf einem hohen Hocker in seinem Arbeitszimmer in der Londoner Montpellier Street. Wenn es im Leben zugehen würde wie im Kino, müsste vor seinem Haus ein Aston Martin stehen. Schließlich wurde der Luxussportwagen erst zur gut verkauften Legende, nachdem Sir Ken ihn nach seinen Entwürfen zur berühmtesten Waffe James Bonds umgewandelt hatte.

Schnelle Wagen hat Ken Adam immer geliebt. Und Flugzeuge, wie den Typhoon. Ein kleines Modell des Jagdfliegers steht in seinem Arbeitszimmer. Mit 20 Jahren hat Ken Adam die Typhoon geflogen. Sieben Jahre, nachdem England ihn aufgenommen hatte, war er bereit, im Krieg gegen die Deutschen sein gerettetes Leben zu riskieren, um auch den Rest der Welt zu retten. Bis 1944 war er der einzige in Deutschland geborene Pilot der Royal Air Force.

»Manchmal hatte ich natürlich schon Angst«, erzählt Sir Ken. »Aber da war auch ein Hochgefühl. Immerhin war dieses Flugzeug damals das schnellste seiner Art. Es war aufregend. Aber wir hatten auch große Verluste. Das war schon nicht mehr so aufregend.« Ken Adam glaubte nicht, dass er überleben würde. Aber »Heini« – so nannten ihn seine Kameraden – hatte nicht nur Glück, er war auch ein ausgezeichneter Pilot.

flieger Ein bisschen stellt man sich da den jungen Jagdflieger Ken Adam vor wie Sean Connery, der in Man lebt nur zweimal den zusammenfaltbaren Tragschrauber »Little Nellie« fliegt und sich ein elegant-rasantes Luftgefecht mit feindlichen Kampfhubschraubern liefert. Ken Adam wäre liebend gerne den Tragschrauber auch selbst geflogen, doch dessen Erfinder und Eigentümer, Commander Wallis, erlaubte es nicht. Auch der Raketenrucksack, mit dem Connery in Feuerball seinen Verfolgern entkommt, wurde auf Vorschlag Ken Adams Teil der Bond-Legende. »Verdammt gefährlich«, erinnert sich Ken Adam und grinst: »Das Ding hatte nur zwei Schalter, zum Ein- und Ausschalten. Es flog nur drei Minuten, und wenn man zu lange oben blieb, dann stürzte man ab!«

Die klassischen Bond-Filme wurden erst zu Klassikern, weil Sir Ken eine eigentümliche Welt erschuf, in der sich Sean Connery und Roger Moore bewegen können. Wenn die ersten zwei Generationen der Bond-Filme bis heute nicht veraltet wirken, dann liegt das vor allem daran, dass die von Ken Adam kreierte Welt Bonds bis heute erstaunlich modern erscheint.

Er schuf aus Licht und Schatten Räume und ganze Welten, die futuristisch waren und gleichzeitig aus atavistischen Träumen emporgestiegen zu sein schienen. Sir Ken sorgte auch dafür, dass Connery und Moore jede Menge Spielzeug erhielten, mit dem sie sich austoben konnten. Dabei war dem Produktionsdesigner stets die Glaubhaftigkeit wichtig. »Wir haben immer versucht, dem Publikum so wenig wie möglich vorzumachen. Wir taten immer unser Bestes, damit diese Dinge auch tatsächlich funktionierten.«

Heutzutage werden Sets für den Film am Computer erschaffen. Die Möglichkeiten der Produktionsdesigner sind dadurch zwar potenziell grenzenlos geworden, doch ersetzt keine Software die menschliche Fantasie. Glaubwürdiger werden die Filmspektakel durch die neuen Techniken auch nicht unbedingt.

Nicht zufällig ist keinem Geringeren als Steven Spielberg zufolge das beste Set der Filmgeschichte der »War Room«, den Ken Adam für Stanley Kubricks Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964) ganz klassisch am Zeichentisch entwarf. Adams cineastischer War Room erschien auch Ronald Reagan so glaubhaft, dass er bei seinem Einzug ins Weiße Haus zutiefst enttäuscht war, zu erfahren, dass es einen derartigen Raum in Wirklichkeit im Weißen Haus nicht gab.

bunker Das Thema Krieg zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk Ken Adams. Für den Gregory-Peck-Klassiker Des Königs Admiral (1951) musste er Segelschiffe finden, die sich zu Schlachtschiffen aus der Zeit der napoleonischen Kriege umrüsten ließen. Eines der Schiffe, die er umbaute, hatte er in Marseille entdeckt. Es hatte wenige Jahre zuvor noch illegale jüdische Flüchtlinge ins Mandatsgebiet Palästina gebracht.

Mit Krieg zu tun hatte schon das erste Bauwerk, das Ken Adam errichtete. Im Garten des Gebäudes 80 Greencroft Gardens, wo seine Mutter eine Pension betrieb, wollte er nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs einen Luftschutzraum bauen. »Das war ein Desaster!«, lacht Sir Ken laut auf. »Ein völliges Desaster! Ich war zwar bereits Architekturstudent, aber bei der tatsächlichen Umsetzung meiner Entwürfe war ich nicht sehr gut.«

Schon beim ersten starken Regen sackte der Schutzraum in sich zusammen. »Nur gut«, meint Sir Ken, »dass zu diesem Zeitpunkt niemand drin gewesen war!« So blieb in den Nächten, in denen die Deutschen London bombardierten, seine Mutter lieber im Haus und spielte seelenruhig Bridge. Wie Churchill sah auch Lilli Adam es nicht ein, vor Hitlers Bomben in den Bunker zu flüchten. Noch englischer kann man wirklich nicht werden.

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025