Sehen!

»I Dance, But My Heart Is Crying«

Der Film läuft ab dem 7. November im Kino.

Die Musiker sprechen sich noch kurz ab, im Hintergrund wärmt ein Sänger seine Stimme auf. Schon erklingt ein wehmütiger Kontrabass, die gezupfte Geige antwortet auf die Basslinie, bevor die ersten Zeilen des Klagelieds »Dos Kind ligt in vigele« ertönen. Christoph Weinert eröffnet seinen Film I Dance, But My Heart Is Crying (ab 7. November im Kino) mit dem, worum sich im Folgenden alles drehen wird: Musik. Das Semer Ensemble, dem man hier ausgiebig lauschen darf, hat sich 2012 gegründet, um ein lange Zeit verloren geglaubtes Kapitel jüdischer Musik in Deutschland in die Gegenwart zu bringen. Dessen Geschichte zeichnet Weinerts Dokumentarfilm nach.

Ein kleiner Rückblick, der im Film nicht die Hauptrolle einnimmt: In den 90er-Jahren wurde der deutsche Diskograf Rainer Lotz auf zwei Berliner Musiklabels aufmerksam, die noch bis 1938 Musik von jüdischen Künstlern wie Dora Gerson, Pinkas Lavender oder Willy Rosen veröffentlicht hatten. Möglich war dies den Plattenlabels Semer und Lukraphon im Rahmen des sogenannten Jüdischen Kulturbundes, den die Nationalsozialisten aus Propagandagründen in einem eng abgesteckten Rahmen gewähren ließen.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde das reiche kulturelle Œuvre von antisemitischen Horden vernichtet – 4500 Schellackplatten, Texte, Noten und Originalmatrizen. Gemeinsam mit dem israelischen Diskografen Ejal Jacob Eisler findet Lotz jedoch nach jahrelanger, akribischer Recherche eine große Anzahl an Schellackplatten mit Originalaufnahmen, die 2001 veröffentlicht werden. Auf Anfrage des Jüdischen Museum Berlin gründet Alan Bern das Semer Ensemble, das sich des Kulturschatzes annimmt.

Christoph Weinert gewährt der Interpretation jener Musik viel Raum und bietet so einen umfassenden Einblick in deren künstlerische Vielfalt, vom Klagelied über Schlager bis zur politischen Subversion. Auch zeichnet der Film die Schicksale jener Künstler nach, von denen nur wenige der antisemitischen Vernichtungsmaschinerie entkamen. Doch Alan Bern insistiert, dass diese Musik nicht ausschließlich mit dem Wissen um die Schoa gehört, sondern vielmehr als reiches, jüdisches Kulturgut, das für sich selbst steht, entdeckt wird. Ganz so, wie der Trompeter Paul Brody gegen Ende des Films zusammenfasst: »Für mich basiert die jüdische Kultur auf Erzählung und Melodie.«

Der Film läuft ab dem 7. November im Kino.

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte. Bis er eine entscheidende Rolle von den Coen-Brüdern bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  14.07.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Superman kommt ins Kino – und wo sind die super Männer?

von Katrin Richter  13.07.2025

Biografie

Schauspieler Berkel: In der Synagoge sind mir die Tränen geflossen 

Er ging in die Kirche und war Messdiener - erst spät kam sein Interesse für das Judentum, berichtet Schauspieler Christian Berkel

von Leticia Witte  11.07.2025

Thüringen

Yiddish Summer startet mit Open-Air-Konzert

Vergangenes Jahr nahmen rund 12.000 Menschen an den mehr als 100 Veranstaltungen teil

 11.07.2025

Musik

Nach Eklat: Hamburg, Stuttgart und Köln sagen Bob-Vylan-Auftritte ab

Nach dem Eklat bei einem britischen Festival mit israelfeindlichen und antisemitischen Aussagen sind mehrere geplante Auftritte des Punk-Duos Bob Vylan in Deutschland abgesagt worden

 10.07.2025

Agententhriller

Wie drei Juden James Bond formten

Ohne Harry Saltzman, Richard Maibaum und Lewis Gilbert wäre Agent 007 wohl nie ins Kino gekommen

von Imanuel Marcus  14.07.2025 Aktualisiert

Kulturkolumne

Bilder, die bleiben

Rudi Weissensteins Foto-Archiv: Was die Druckwelle in Tel Aviv nicht zerstören konnte

von Laura Cazés  10.07.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  13.07.2025 Aktualisiert

Ethik

Der Weg zum Glück

Nichts ist so flüchtig wie der Zustand großer Zufriedenheit. Doch es gibt Möglichkeiten, ihn trotzdem immer wieder zu erreichen – und Verhaltensweisen, die das Glück geradezu unmöglich machen

von Shimon Lang  10.07.2025