Ein Liebesbrief an die Menschlichkeit oder die Suche nach einem Moment des perfekten Gleichgewichts, nach dem Gegensatz zwischen Dschungel und Stadt, so beschreibt der künstlerische Leiter der zehnköpfigen australischen Company »Circa«, Yaron Lifschitz, das Konzept von Humans 2.0.
Sein Ensemble zählt zu den führenden Kompanien der darstellenden Künste weltweit. Das Stück, das seit seiner Premiere 2021 durchgehend auf Tour ist und auf wunderbare Weise die Trennlinie zwischen Akrobatik und Tanz-Performance auslotet, ist derzeit wieder in Berlin zu sehen – und ein echter Genuss.
Harmonie und Chaos
In der fragilen Symphonie aus Harmonie und Chaos geht es nicht um ein Höher, Schneller, Weiter, sondern um Gefühl und Poesie, um Fliegen, Fallen, Fangen, komplexe körperliche Muster, die sich gekonnt aufbauen, um anschließend wieder zerlegt zu werden.
Auf der Bühne, deren Farbigkeit zwischen den Rot-, Violett- und Weiß-Kompositionen des Lichtdesigners Paul Jackson changiert, türmen sich Frauen und Männer zu Pyramiden, werfen einander durch die Luft, schleudern umher, rollen über den Boden, greifen, straucheln, klettern, stürzen, springen, balancieren, tragen, lassen los, stützen – und verkörpern im besten Sinne des Wortes Schwerelosigkeit und Angebunden-Sein, Stärke und Verletzlichkeit.
Das Stück lotet auf wunderbare Weise die Grenzen zwischen Akrobatik und Tanz-Performance aus.
Wie fühlt es sich an, im Spagat auf vielen Händen schwebend hoch oben im Raum um die eigene Achse gedreht zu werden? Wie, wenn der kraftvolle Sprung ins Leere im richtigen Moment aufgefangen werden muss, um nicht mit ungebremster Wucht zu fallen?
Das menschlich Machbare
Die Leichtigkeit und Frechheit, mit der die Kompanie physische Grenzen austestet und die Vorstellung des menschlich Machbaren erweitert, zeugen nicht nur von höchster Professionalität, sondern auch von dem unbedingten Verlangen nach Perfektion. Immer wieder überraschend und bis ins kleinste Detail ausbalanciert.
Der 1970 in Kapstadt geborene Yaron Lifschitz hat mehr als 80 Opern, Theaterstücke, Zirkus- und Physical-Theatre-Performances inszeniert. Den Sound mit seinen pulsierenden Elektrobeats liefert der Tel Aviver DJ Ori Lichtik, einer der Gründungsväter der Technszene in Israel.
Humans 2.0 bricht mit Konventionen und weckt die Sehnsucht nach einer künstlerisch verbindenden Vision von Humanität. Was könnte möglich sein, wenn wir nicht in Symmetrie zusammenarbeiten, sondern das gesamte Spektrum unserer Unterschiede akzeptieren? Die Botschaft lautet: Menschsein ist Bewegung – und Vertrauen. Welch ein Trost in dieser Zeit.
Bis 19. Oktober 2025 im Chamäleon Berlin