Wuligers Woche

Höckes jüdische Hiwis

Laut dem Zeitungsbericht ist es möglich, dass der Verfassungsschutz den Berliner AfD-Landesverband auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten kann. Foto: imago images / IPON

Wuligers Woche

Höckes jüdische Hiwis

Die »Juden in der AfD« und ihre Kampagne gegen den israelischen Botschafter

von Michael Wuliger  11.07.2019 14:41 Uhr

Jede gesellschaftliche Gruppe hat einen bestimmten Prozentsatz charakterlich fragwürdiger Individuen. Auch in der jüdischen Gemeinschaft gibt es solche Leute. Und wie ihre nichtjüdischen Pendants scheinen sie sich vorzugsweise in der AfD zu versammeln. Dort gibt es einen Verein namens »Juden in der AfD«. Wie jüdisch dessen Mitglieder tatsächlich sind, ist offen. Einer ihrer Vorturner, ein hessischer Landtagsabgeordneter namens Dimitri Schulz, bekennt sich zum Glauben an Jesus Christus, womit er sich nach halachischen Kriterien aus dem Judentum verabschiedet hat.

Israel Jude sein will Herr Schulz dennoch und ist deswegen besonders verärgert, dass seinetwegen eine hessische Landtagsdelegation beim Besuch in Israel von allen Offiziellen geschnitten wurde. Der jüdische Staat empfängt prinzipiell keine Politiker der rechtsradikalen Partei. Das ist dort Regierungspolitik.

Jetzt fühlen sich Schulz und seine Freunde diskriminiert. Einen Schuldigen dafür haben sie auch schon ausgemacht: den israelischen Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff. Der hatte mehrfach die AfD wegen ihres fragwürdigen Umgangs mit der Schoa kritisiert. Das will die Gauland-, Gedeon- und Höcke-Partei nicht auf sich sitzen lassen. Sie hat deshalb eine ziemlich wüste Kampagne gegen Issacharoff gestartet.

Wohl der erhofften propagandistischen Wirkung wegen schickt sie dabei ihre angeblich oder tatsächlich jüdischen Hilfswilligen vor. Die »Juden in der AfD« haben einen Appell an keinen Geringeren als den israelischen Ministerpräsidenten persönlich gerichtet: »Herr Netanjahu, befreien Sie uns von diesem Botschafter!«

Soziale Medien In den sozialen Medien gehen sie den Botschafter auch persönlich an: »Lernen Sie deutsch, wenn Sie hier Botschafter sind!«, twitterte die Gruppierung in bestem germanischen Herrenmenschenton, wenn auch grammatisch falsch.

Soweit könnte man das noch als Lächerlichkeit abtun. Bei Absurdität aber belassen es die AfD-»Juden« nicht. Sie werden auch noch unanständig und attackieren Issacharoffs Familie. Seine Frau nehmen die AfDler ins Visier, weil sie als Vertreterin der angesehenen zionistischen NGO »The Israel Project« einmal Mahmud Abbas getroffen hat. Und den Sohn, weil er in linken israelischen Organisationen aktiv ist.

Likud Das hat die Likud-geführte Regierung nicht daran gehindert, den Vater zum Botschafter zu ernennen. In Israel ist es nicht selten, dass in Familien das politische Spektrum von links bis rechts vertreten ist. Doch die »Juden in der AfD« scheinen sich statt an jüdischen Traditionen eher am Nazi-Prinzip der Sippenhaft zu orientieren oder an der stalinistischen Politik, die Angehörigen von »Volksfeinden« gleich mit zu bestrafen.

»Jeremy Issacharoff kann, wenn er schon als Vater versagt hat, kein geeigneter Mann sein für den Posten des israelischen Botschafters«, verkünden sie. Das ist ebenso dumm wie perfide. Oder um es mit einem jiddischen Begriff zu nennen, der übrigens identisch mit dem deutschen Wort ist: »Dreck«.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Rache

»Trigger-Thema« für Juden

Ein Filmseminar der Jüdischen Akademie untersuchte das Thema Vergeltung als kulturelle Inszenierung

von Raquel Erdtmann  01.12.2025

Wuppertal

Schmidt-Rottluff-Gemälde bleibt in Von der Heydt-Museum

»Zwei Frauen (Frauen im Grünen)« von Karl Schmidt-Rottluff kann im Von der Heydt Museum in Wuppertal bleiben. Nach Rückgabe an die Erbin erwarb die Stadt das Bild von ihr. Vorausgegangen waren intensive Recherchen zur Herkunft

 01.12.2025

Dorset

»Shakespeare In Love« - Dramatiker Tom Stoppard gestorben

Der jüdische Oscar-Preisträger war ein Meister der intellektuellen Komödie. Er wurde 88 Jahre alt

von Patricia Bartos  01.12.2025

Fernsehen

Abschied von »Alfons«

Orange Trainingsjacke, Püschelmikro und Deutsch mit französischem Akzent: Der Kabarettist Alfons hat am 16. Dezember seine letzte Sendung beim Saarländischen Rundfunk

 30.11.2025 Aktualisiert

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025