Würdigung

Harvey Keitel: Der Mann mit dem vielsagenden Blick

Harvey Keitel Foto: picture alliance / Jordan Strauss/Invision/AP

Als Harvey Keitel 1994 als »Problemlöser« Winston Wolf in Quentin Tarantinos Kult-Film Pulp Fiction die unerfreuliche »Bonnie-Situation« entschärfte, war er bereits mehrere Jahrzehnte lang kein Neuling mehr gewesen. Der jüdische Charakterdarsteller, dessen vielsagender Blick als sein Markenzeichen in der Kinowelt legendär ist, erschien 1967 zum ersten Mal auf der Leinwand.

Mit »Who’s That Knocking at My Door« von niemand geringerem als Martin Scorsese, der mit diesem Werk ebenfalls sein Debüt gab, begann die Karriere des unverwechselbaren Harvey Keitel, der heute 85 Jahre alt wird und auf eine extrem lange Filmografie zurückblicken kann.

Darunter auch »That’s the Way of the World«, ein Kinostreifen, der zwar ein Flop war, aber mit Earth, Wind & Fire eine der faszinierendsten Bands der Welt vorstellte – mit Keitel als windigem Produzenten. Wenig später folgte eine tragende Rolle in Scorseses »Taxi Driver«, einem mit Preisen überhäuften Meisterwerk.

Korrupte Polizeibeamte

In »Cop Killer« und »Bad Lieutenant« spielte er in den Jahren 1983 und 1992 so überzeugend korrupte Polizeibeamte, dass er auch diesen Filmen zum Kult-Status verhalf.

Wer zeigte in weiteren Erfolgsfilmen wie »Thelma & Louise«, »Reservoir Dogs«, »From Dusk till Dawn«, »Copland«, »U-571« und »Red Dragon« ebenfalls souverän seine Schauspielkünste? Harvey Keitel. Und wer ist im hohen Alter weiterhin so aktiv als wäre er 25? Genau: Harvey Keitel.

Aktuell befinden sich drei Filme, nämlich »Hard Matter«, »The Wrecker« und »Hellfire«, in denen er dabei ist, in der Nachbearbeitungsphase. Beabsichtigt Keitel mit 85 Jahren, etwas leiser zu treten? Es sieht eher nicht danach aus.

Ehrung in Berlin

Harvey Keitel, der Hollywoodstar, der mit einem einzigen Blick allein einen ganzen Film retten kann, war nur einmal für einen Oscar nominiert, für eine Nebenrolle in »Bugsy« (1991). Den Academy Award erhielt er am Ende zwar nicht, kann jedoch viele andere Preise sein Eigen nennen, darunter den Special Jury Prize, der ihm 1995 bei der Berlinale verliehen wurde – für sein Wirken in dem Independent-Film »Smoke«.

Harvey Keitel, der offensichtlich dazu neigt, moralisch fragwürdig erscheinende Charaktere zu spielen, wurde am 13. Mai 1939 in New York geboren. Er war und blieb das jüngste Kind des jüdischen Einwanderers Harry Keitel aus Polen und dessen Frau Miriam, geborene Klein, die aus einer Familie rumänischer Juden kam.

In Brighton Beach, einem Teil von Brooklyn, wuchs er auf. Im Alter von 17 Jahren wurde Keitel Marinesoldat, später arbeitete er ein ganzes Jahrzehnt lang als Stenotypist bei einem Gericht.

Hochzeit in Israel

Während seiner Schauspielerkarriere auf der Bühne und vor der Kamera, die bisher fast 60 Jahre lang andauert, gab es zwischendurch auch Misserfolge. Francis Ford Coppola engagierte ihn 1979 für das Anti-Kriegs-Epos »Apocalypse Now«, schmiss ihn aber später wieder aus dem Team, da er nicht in der Lage gewesen sei, die Hauptrolle des Captain Willard wie vorgesehen als passiver Beobachter zu spielen. Martin Sheen übernahm diesen Job – und erlitt während des Drehs einen Herzinfarkt.

Privat gab es ebenfalls schwierige Zeiten. Nach der langjährigen Beziehung mit seiner Kollegin Lorraine Bracco kämpfte Harvey Keitel 1993 um das Sorgerecht für seine Tochter Stella. Seine Kinder Hudson und Roman gingen aus anderen Beziehungen hervor.

Als das neue Millennium endlich da war, im Jahr 2001, begab sich der nicht mehr ganz junge Schauspieler nach Israel, um dort die kanadische Darstellerin Daphna Kastner zu heiraten. Die Hochzeit blieb zunächst geheim. Als Tarnung diente das Haifa International Film Festival, an dem damals beide teilnahmen.

Aufgrund seiner Abstammung ist das Geburtstagkind Harvey Keitel Ehrenbürger Rumäniens.

A happy birthday to you, Harvey.

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025

»Jay Kelly«

In seichten Gewässern

Die neue Tragikomödie von Noah Baumbach startet fulminant, verliert sich dann aber in Sentimentalitäten und Klischees

von Patrick Heidmann  20.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  20.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  20.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. November bis zum 27. November

 20.11.2025

»Lolita lesen in Teheran«

Klub der mutigen Frauen

Der Israeli Eran Riklis verfilmt die Erinnerungen der iranischen Schriftstellerin Azar Nafisi an geheime Literaturtreffen in Teheran – mit einem großartigen Ensemble

von Ayala Goldmann  20.11.2025

Ausstellung

Sprayende Bildhauerin mit Geometrie

Das Museum Wiesbaden zeigt Werke Louise Nevelsons und eines Künstlerpaares

von Katharina Cichosch  20.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  19.11.2025

Magdeburg

Telemann-Preis 2026 für Kölner Dirigenten Willens

Mit der Auszeichnung würdigt die Landeshauptstadt den eindrucksvollen Umgang des jüdischen Dirigenten mit dem künstlerischen Werk Telemanns

 19.11.2025