Jens Bisky

Fünf Jahre reichten aus

Jens Bisky

Fünf Jahre reichten aus

Der Kulturwissenschaftler schreibt opulent und facettenreich über das Ende der Weimarer Republik

von Ralf Balke  26.03.2025 16:04 Uhr

»Die Agonie der Republik begann in jenem Herbst 1929«, schreibt Jens Bisky im Prolog zu seinem jüngsten Buch. 1934 war für den Autor endgültig Schluss mit der ersten deutschen Demokratie. Die »Hakenkreuzler« hatten das Land fest im Griff und bestimmten fortan, wer Teil der Gesellschaft sein durfte und wer nicht. »Der Antisemitismus war Gesetz geworden.« Bisky markiert Anfang und Ende dieser alles entscheidenden fünf Jahre mit dem Ableben zweier Protagonisten ihrer Epoche, und zwar des republikanisch gesinnten Außenministers Gustav Stresemann und des antidemokratischen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.

Dabei entwirft er ein opulentes sowie facettenreiches Porträt dieser letzten Jahre der Weimarer Republik und der ersten Monate der Hitler-Herrschaft. Sein methodischer Ansatz beim Skizzieren dieses Abgleitens in die Diktatur: weniger ideologische und politische Linien aufzeigen, an deren Ende fast schon zwangsläufig die Katastrophe stehen musste. Vielmehr richtet Bisky den Fokus auf Akteure aus der Politik, den Medien oder auch auf die Familie eines Kommunisten im Wedding .

Bisky ist kein Historiker, sondern Kulturwissenschaftler

Bisky ist kein Historiker, sondern Kulturwissenschaftler. Er skizziert, wie beispielsweise der sozialdemokratische Reichskanzler Hermann Müller, die Kommunistin Clara Zetkin oder radikale Studenten und Vertreter des Militärs und der Gewerkschaften das Geschehen wahrnahmen und auf welcher Basis einige von ihnen Entscheidungen trafen, die fatale Folgen hatten. Last but not least fehlte es fast allen Demokraten an Konzepten, wie man mit Demokratiefeinden umgehen sollte.

Wer sich fragt, warum man ausgerechnet über das Ende der Weimarer Republik ein weiteres Buch lesen sollte, obwohl darüber bereits ganze Bibliotheken geschrieben wurden, findet hier die Antwort. Es ist dieser Ansatz, der eine multikausale Deutung nicht nur zulässt, sondern geradezu forciert. Und weil Vergleiche bekanntermaßen hinken, hier ein kleiner Spoiler: Bisky will seinen Lesern keinesfalls suggerieren, dass der Bundesrepublik gerade ein ähnliches Szenario wie vor knapp 100 Jahren droht und die Geschichte sich wiederholen könnte.

Vielmehr liest sein Buch sich als eine Erinnerung daran, dass demokratische Institutionen nur dann Bestand haben, wenn bürgerliche Werte verteidigt werden, und zwar jenseits von Phrasen wie »Nie wieder!«, was auch jede Form von Zusammenarbeit mit Extremisten ausschließt. Nicht zuletzt deshalb ist Die Entscheidung für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominiert worden.

Jens Bisky: »Die Entscheidung – Deutschland 1929 bis 1934«, Rowohlt, Berlin 2024, 640 S., 34 €

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Sachbuch

Aus dem Leben einer Rebellin

Gerhard J. Rekel hat der jüdischen Sozialaktivistin Lina Morgenstern eine lesenswerte Biografie gewidmet

von Gerhard Haase-Hindenberg  12.09.2025

TV

Auch Niederlande drohen mit ESC-Boykott, wenn Israel teilnimmt

Gastgeber Österreich hat sich bereits eindeutig für eine Teilnahme Israels ausgesprochen

 12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Nach Canceln in Gent

Solidarität in Berlin: Konzert mit Lahav Shani

Der israelische Dirigent und die Münchner Philharmoniker treten am Montag beim Musikfest Berlin auf

 12.09.2025

Belgien

Prosor: Ausladung von Shani »purer Antisemitismus«

Der israelische Dirigent Lahav Shani darf nicht auf dem Flanders Festival Ghent auftreten, weil er sich nicht genug vom Vorgehen Israels in Gaza distanziert habe. Das sorgt international für Kritik

 12.09.2025

Streaming

»Verstehen statt behaupten«

Ein Gespräch mit Dan Shaked über seine Abneigung gegen Petitionen, das Spionagedrama »The German« und den Dreh mit Schauspielkollege Oliver Masucci

von Katrin Richter  12.09.2025

Sehen!

»Humans 2.0«

Die Suche nach dem Moment des perfekten Gleichgewichts – das australische Ensemble »Circa« gastiert in Berlin

von Bettina Piper  12.09.2025

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  12.09.2025