Roman

Frauen, die nach Orangen duften

Prämiert: Ayelet Gundar-Goshen Foto: Alon Siga

Roman

Frauen, die nach Orangen duften

Ayelet Gundar-Goshen erzählt vom Israel der 40er-Jahre

von Günter Keil  23.09.2013 14:34 Uhr

Besser hätte es für Ayelet Gundar-Goshen kaum laufen können: Die 31-Jährige erhielt 2012 in Israel den renommierten Sapir-Preis für das beste Romandebüt. Jetzt ist ihr Buch Eine Nacht, Markowitz auch in Deutschland erschienen. Eine Verfilmung der Handlung, die in Eretz Israel zur Zeit des britischen Mandats spielt, ist geplant.

Gleich zu Beginn stellt Gundar-Goshen ihren Helden vor: »Jakob Markowitz war nicht hässlich. Was nicht heißen soll, dass er schön gewesen wäre. Er war, kann man sagen, von brillanter Mittelmäßigkeit.«

ironie Mit dieser liebevollen Ironie blickt die Autorin auf all ihre Protagonisten. Und auf die politische Lage der 40er-Jahre. Schauplatz ist ein jüdisches Dorf. Markowitz bestellt dort sein Feld und schmuggelt Waffen für die Untergrundorganisation Irgun. Sein bester Freund, Seev Feinberg, ebenfalls Irgun-Kämpfer, ist bekannt für seinen dicken Oberlippenbart. Außerdem gilt Seev als Fachmann für Rinderzucht und das Ziehen von Weisheitszähnen, »neunzig Kilogramm Kühnheit und Muskeln, den Schnauzer nicht mitgerechnet«.

Diese beiden Männer begleitet Ayelet Gundar-Goshen über zwei Jahrzehnte hinweg, durch Kriegseinsätze, Glücksmomente, Tragödien und Erfolge. Und durch die Betten. Denn Markowitz und Feinberg verbindet vor allem eines: die Liebe zu den Frauen. Markowitz, eher schüchtern, bewundert Feinberg, der pausenlos weibliche Wesen in sein Bett lockt, wie Rachel Mandelbaum, die Frau des Fleischers.

»Ich werde sie heiraten!«, schwört er, doch hält nicht Wort. Jakob Markowitz hingegen heiratet wirklich – auf Befehl. Mit 19 anderen Männern reist er nach Europa, um 20 Frauen zu ehelichen, sie sicher ins Land Israel zu bringen und sich dort wieder von ihnen scheiden zu lassen. So wird aus Bella Seigermann Bella Markowitz. Nach der Überfahrt gibt Jakob seine Frau jedoch nicht frei. »Wenn du ein Ehrenmann bist, lässt du mich gehen«, fordert sie, aber er bleibt stur.

dorfszenen Gundar-Goshen setzt mit erstaunlicher Leichtigkeit ihre amüsanten Dorfszenen in den politischen Zusammenhang jener Zeit. Etwa als der Unabhängigkeitskrieg 1948 sich ankündigt: »Einige liefen los, um Lebensmittel einzukaufen, andere beeilten sich, Wäsche aufzuhängen, damit der Krieg sie nicht ohne saubere Strümpfe erwischte. Sogar die Hintern der Kinder wurden noch schnell versohlt, um ihnen noch Anstand einzubläuen, bevor der Krieg kam und sie ganz andere Dinge lehrte.«

Die Ereignisse überschlagen sich: Bella zieht nach Tel Aviv zu einem Dichter, Jakob muss als Soldat nach Galiläa, Rachel Mandelbaum bringt unter einem Johannisbrotbaum ein Kind zur Welt und erhängt sich einige Monate später. Seevs »Hauptfrau« Sonja hat eine Affäre mit dem Irgun-Vizechef. Markowitz und Feinberg schließen sich einer Truppe an, die in Europa Nazis jagt. Während sie in Deutschland sind, bringen Bella und Sonja daheim Kinder zur Welt – die Männer glauben, sie seien die Väter. Stolz blicken sie nach ihrer Rückkehr auf ihre vermeintlichen Söhne.

Während diese heranreifen, beschließt Markowitz, Erdbeeren anzubauen. Das ganze Dorf macht sich über ihn lustig, doch er gibt nicht auf, verkauft die Früchte mit großem Gewinn und erwirbt mit dem Geld einen wertvollen roten Seidenschal für Bella. Die ist von dem Geschenk aber nicht sehr beeindruckt und verwendet es als Geschirrtuch. Da ist es wieder, Ayelet Gundar-Goshens Gespür für Skurrilitäten im Alltag. Eine Nacht, Markowitz ist ein Buch über schlaue Frauen, die nach Orangen duften. Und über nicht ganz ernst zu nehmende Männer, die glauben, dass sie Helden sind.

Ayelet Gundar-Goshen: »Eine Nacht, Markowitz«. Übersetzt von Ruth Achlama. Kein & Aber, Zürich 2013, 400 S., 22,90 €

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025