Nanotechnik

Es werde Licht

Jeder Star-Trek-Fan kennt ihn: den VISOR – ein stark an die Disco-Brillen der 80er-Jahre erinnerndes Gerät, das Geordi La Forge in der TV-Serie »Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert« trägt. Der im Film von Geburt an blinde Lieutenant Commander kann damit perfekt sehen, denn die kranzförmigen Augengläser sind direkt an sein Gehirn angeschlossen und bewirken wahre Wunder. Doch was bis dato nur in Science-Fiction-Serien möglich schien, soll nun Realität werden. Das jedenfalls verspricht der Hightech-Start-up Nano Retina aus Herzliya Pituach, dem israelischen Pendant zum kalifornischen Silicon Valley.

Unternehmensgründer ist niemand Geringeres als Yossi Gross, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Medinzintechnik. Er hält die Rechte an über 500 Patenten und hat bereits 27 Medizintechnikfirmen ins Leben gerufen. Herzstück der neuen Sehhilfe ist ein Mikrochip, der zahlreiche Innovationen aus der Nanotechnologie in sich vereint.

»Wenn wir erfolgreich sind, werden bald überall Menschen mit einem israelischen Chip in ihrem Auge leben«, erklärt Ra’anan Gefen, der 49-jährige Geschäftsführer von Nano Retina, voller Begeisterung. Der Bedarf ist auf jeden Fall da: 45 Millionen Blinde gibt es, sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Weitere 300 Millionen leiden unter starken Sehbehinderungen.

grobkörnig Kaum größer als der Fingernagel eines Kleinkindes, kann dieser Chip in nur 30 Minuten transplantiert werden. Ein fünf Millimeter großer Einschnitt in die äußere Augenhaut reicht aus, um den Chip einzuführen und zu verkleben. »Die Netzhaut ist so etwas wie die Verlängerung des Gehirns«, erklärt Gefen. »Ein großer Teil der Bildverarbeitung findet bereits dort statt.« Und genau da setzt die Technik des 2009 gegründeten Unternehmens an. »Bio-Retina« heißt dieser Chip, der über eine winzige Batterie betrieben wird, die in eine ganz normal aussehenden Brille integriert ist und WiFi-Signale aussendet.

Wie bei einer Digitalkamera wird einfallendes Licht mittels einer ganzen Palette von Elektroden in Nanogröße in ein Schwarz-Weiß-Bild mit einer Auflösung von knapp 600 Pixel umgewandelt. Dabei ist jede mikroskopisch kleine Elektrode mit einem Augennerv verbunden und für einen Pixel des Gesamtbildes verantwortlich. Vier Zentimeter große Buchstaben, Gesichter oder TV-Bilder lassen sich so bereits grob erkennen. Die nächste Chip-Generation soll aber schon zwischen 1.200 und 2.000 Pixel leisten können. Farbbilder mit einer Auflösung von 6.000 Pixel sind das Wunschziel der Entwickler. Zum Vergleich: Gesunde Augen schaffen eine Million Pixel – obwohl bereits 1.000 ausreichen, um Gegenstände oder Gesichter gut erkennen zu können.

Zwar plant Nano Retina den Start klinischer Tests erst für das Jahr 2013, doch scheinen die Israelis im Rennen um das »Bionische Auge« ziemlich weit vorne zu liegen. Der deutsche Konkurrent Retina Implant oder das US-Unternehmen Second Sight erreichen mit ihren technischen Konzepten gerade mal eine Leistung von maximal 60 Pixel. »Ihre Systeme funktionieren nur mit externen Geräten und bieten allenfalls sehr eingeschränkte Lösungen an«, lautet daher das Urteil von Professor Yael Hanin vom Nanotechnologie-Center der Fakultät für Elektrotechnik der Universität Tel Aviv.

»Insbesondere, was das Gesichtsfeld angeht.« Bio-Retina dagegen funktioniert in Harmonie mit den natürlichen Funktionen des Auges. Das betrifft sowohl die Möglichkeiten der Pupillenerweiterung und der Augapfelbewegungen. Mit den Implantaten kann man den Blickwinkel verändern, ohne wie bei den Alternativlösungen der Deutschen oder der Amerikaner gleich den ganzen Kopf mitbewegen zu müssen.

erwartung Doch trotz aller technischen Fortschritte warnt Professor Dave Weinberg vor zu viel Euphorie. »In Relation zur Realität sind die Erwartungen im Moment einfach übertrieben«, so der Leiter der Augenabteilung des Rabin Medical Center, der mit Nano Retina zusammenarbeitet.

»Bis heute überschatten die operativen Probleme immer noch jede existierende technische Lösung.« Ra’anan Gefen blickt dennoch sehr hoffnungsvoll in die Zukunft. Bei einem Preis von rund 60.000 Dollar pro Einheit geht er davon aus, dass bereits 2015 mindestens 180.000 Bio-Retina-Chips im Jahr implantiert werden und seinem Unternehmen einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar bescheren.

Offensichtlich wird sein Optimismus von den Experten geteilt, denn der Business-TV-Sender CNBC erklärte Nano Retina zu einem der 25 kreativsten Unternehmen in ganz Europa. Und das israelische Wirtschaftsblatt Globes berichtete jüngst, dass der erste große strategische Deal mit einem Pharmakonzern im Wert von mehreren zehn Millionen Dollar kurz vor dem Abschluss steht.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. September bis zum 11. September

 03.09.2025

Sachbuch

Die Gruppe 47, Günter Grass und die ersten »Shitbürger«

»WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt rechnet in seinem neuen Bestseller »Shitbürgertum« auch mit der Kontinuität des deutschen Judenhasses ab. Ein exklusiver Auszug

von Ulf Poschardt  02.09.2025

Zahl der Woche

228 Kilogramm

Fun Facts und Wissenswertes

 02.09.2025

München

Bayerische Staatsgemäldesammlungen geben vier Gemälde zurück

Die »Süddeutsche Zeitung« hatte berichtet, dass Nachfahren von enteigneten jüdischen Kunstbesitzern nicht über NS-Raubkunst im Besitz der Staatsgemäldesammlungen informiert worden seien

 02.09.2025

Filmfestvial Venedig

Im Schatten der Kriege

Auf dem Lido konkurrieren Werke über Putin und Gaza um die Goldenen Löwen. »Propalästinensische« Aktivisten fordern den Boykott israelischer Schauspieler wie Gal Gadot

von Jens Balkenborg  02.09.2025

New York

Woody Allen lobt Donald Trump als Schauspieler

Der Regisseur und Darsteller sieht die Darbietung des heutigen Präsidenten in dem Film »Celebrity« von 1998 positiv – und fragt sich, warum sich der Golf- und Glamour-Fan freiwillig ins Elend der Politik stürzte

 02.09.2025

Kulturkolumne

Das Hessenlied

Wie aus einem Sowjetbürger ein Besser-Wessi wurde

von Eugen El  01.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  01.09.2025 Aktualisiert

Meinung

Das Gerücht über Israel

Die Geschichte des Antisemitismus ist eine Geschichte der Lüge. Was früher dem Juden als Individuum unterstellt wurde, wird nun Israel als Nation vorgeworfen

von Daniel Neumann  01.09.2025 Aktualisiert