München

Erinnerungen in Zeiten der Pandemie

NS-Dokumentationszentrum am Königsplatz Foto: imago/imagebroker

Unter dem Motto »Erinnerungen in Zeiten der Pandemie« steht das neue Programm des Münchner NS-Dokumentationszentrums für das Jahr 2021. In den Mittelpunkt gerückt würden Themen wie Zeitzeugenschaft, der Umgang mit historischen Orten sowie Kommunikation im öffentlichen Raum, teilte das Haus am Mittwoch mit. In den Ausstellungen, Veranstaltungen und Projekten sollen sie digital wie analog beleuchtet werden.

»Wir alle erleben die Krise der Pandemie als Belastungsprobe für die demokratische Gesellschaft«, sagte die Direktorin des Zentrums, Mirjam Zadoff, am Mittwoch bei der digitalen Pressekonferenz. Dazu gehörten Verschwörungsmythen, antisemitische Beschuldigungen, Gewalt und Rassismus.

begegnung Zugleich aber sei zu beobachten, wie solidarisch Menschen miteinander umgingen, obwohl Begegnungen auf ein Minimum reduziert seien. Dabei basiere Erinnerung vor allem auf der Begegnung zwischen Menschen und dem Austausch von Wissen und Ideen, so Zadoff.

Münchens Kulturreferent Anton Biebl hob hervor, Kulturarbeit angesichts von Corona bedeute nicht Stillstand, sondern sei Ansporn, das Beste aus den bestehenden Möglichkeiten zu machen. Es berühre ihn sehr, wie sich die Münchner Kultureinrichtungen mit Kreativität den Herausforderungen stellten. Das zurückliegende Jahr habe aber auch Entwicklungen zutage gefördert, die bewusst machten, wie wichtig es sei, geschichtliches Bewusstsein in der Gesellschaft zu verankern.

Den Auftakt macht vom 24. Juni bis 14. November die Schau Ende der Zeitzeugenschaft?. Im Fokus stünden die Überlebenden und die Erinnerung an die Schoa, wie sie in Interviews und Aufnahmen von öffentlichen Auftritten der Zeitzeugen überliefert werde.

zeitzeugen Nur noch wenige könnten aus eigener Erfahrung sprechen oder von jenen Menschen berichten, die im Holocaust ermordet worden seien. Was bleibe, seien literarische Zeugnisse, Videointerviews mit den Überlebenden und die Frage, wie mit dieser Erbschaft umgegangen werden solle.

»On Tyranny. Zwanzig Lektionen für den Widerstand« lautet die vom 15. September 2021 bis 9. Januar 2022 zu sehende Schau. Der US-Historiker Timothy Snyder veröffentlichte 2017 seinen Band On Tyranny. Im Rückblick auf wichtige demokratische Momente der europäischen Geschichte (1918, 1945, 1989) und vor dem Hintergrund aktueller politischer Geschehnisse in den USA verdeutliche er, dass es immer wieder einer aufmerksamen Zivilgesellschaft bedürfe, um den autoritären Bedrohungen entgegenzutreten. Seine Zitate treten in der Schau in den Dialog mit Originalzeichnungen und Collagen der Künstlerin Nora Krug.

Ab 1. Dezember sind dann bis 27. Februar 2022 Werke von John Heartfield (1891–1968) zu sehen. Seine politischen Fotomontagen seien zu Ikonen im Kampf gegen den Nationalsozialismus geworden und hätten bis heute nichts von ihrer Sprengkraft eingebüßt. kna

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025