Kulinarisches

Ente süß-sauer an Weihnachten

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Kulinarisches

Ente süß-sauer an Weihnachten

Was es mit dem Brauch von amerikanischen Juden auf sich hat

von Daniel Killy  24.12.2023 07:19 Uhr Aktualisiert

Eines hat das Judentum (wieder einmal) allen voraus: Es hat nicht nur Essgewohnheiten für die eigenen Feiertage entwickelt, sondern auch für die Feiertage anderer Glaubensgemeinschaften. Zumindest in den Vereinigten Staaten. Dort gehen Juden zu Weihnachten traditionell chinesisch essen. Was in New York seinen Ursprung hatte, ist mittlerweile zur landesweiten Tradition geworden.

VERWANDTSCHAFTEN Der Grund für die jüdische Vorliebe für Ente süß-sauer und Co. hat – wie so manche Überlieferung – einen ganz pragmatischen Ursprung. Am 25. Dezember, dem Weihnachtsfeiertag in den USA, haben selbst im umtriebigen New York fast alle Restaurants geschlossen. Und da die Menschen Weihnachten meist zu Hause sitzen und speisen, wurde es zur Gewohnheit junger Juden, am 25. Dezember erst ins Kino und dann zum Chinesen zu gehen.

In Brooklyn gibt es ein »Traditional Jewish Christmas«-Dinner.

Vielleicht waren es auch einige kulinarische Verwandtschaften, die die ersten Ostjuden in die Chinarestaurants trieb. So jedenfalls beschreibt es Matthew Goodman im »Tablet«-Magazin. »Erstens hatten die chinesischen Restaurants keine Marienstatuen herumstehen, und dann bereiteten sie die Gerichte ihrer kantonesischen Küche auf seltsam vertraute Art zu. Ein süß-saures Grundprofil, übergartes Gemüse und Berge von Knoblauch und Zwiebeln. Kommt Ihnen das vertraut vor?«, fragte Goodman ironisch.

UNKOSCHER Sogar wissenschaftlich untersucht wurde das jüdische Weihnachts-China-Phänomen bereits. Die Autoren der Studie »Safe Treyf« argumentierten 1992, die chinesische Küche bestehe zwar aus weitgehend unkoscheren Zutaten, die allerdings so lange fein gehackt oder durch den Wolf gedreht, in harmlosem Gemüse und unter einer vertrauten Sauce versteckt serviert oder unsichtbar in Wan Tans und Frühlingsrollen eingewickelt werden, bis das schlechte Gewissen ruhiggestellt ist. Findige chinesische Restaurants verinnerlichten ihre neue Klientel schnell und bewarben an Weihnachten ihre Wan-Tan-Suppe von nun als als »Hühnersuppe mit Kreplach«.

Wie dem auch sei, das New Yorker Bonmot, dass wir das Jahr 5780 haben und die Chinesen das Jahr 4717, wir also 1063 Jahre ohne chinesisches Essen auskommen mussten, hat einen wahren Kern. Und die jüdische Liebe zur chinesischen Küche ist mittlerweile auch schon seit mehr als 100 Jahren Tradition, als sie in Manhattans Lower East Side einst ihren Anfang nahm.

Dass nun aber auch seit geraumer Zeit jüdische Restaurants wie das hippe »Mile End Delicatessen« in Brooklyn ein »Traditional Jewish Christmas«-Dinner serviert, ist eine weitere kulinarische Steigerung einer gänzlich jüdischen Weihnachtstradition. Das Menü enthält unter anderem: Shrimp Chips, Sichuan-Gurken, Bohnensprossen, BBQ-Pilz-Bao mit knusprigem Salat, Frühlingszwiebel-Latkes, Eiersuppe, Hühnchen à la General Tso, Jasminreis, Ahorn-Eiercreme, Ananas – und natürlich Fortune Cookies: Ess gezunterheit!

Hans-Jürgen Papier

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