Knut Elstermann

Endlich wieder Kino

Knut Elstermann Foto: dpa

Knut Elstermann

Endlich wieder Kino

Der Filmkritiker ist mehr als froh, dass die Kinos wieder geöffnet sind und treue Filmfans Unterstützung anbieten

von Knut Elstermann  09.07.2020 10:54 Uhr

Ich bin keineswegs durchdrungen von der Bedeutung meines Berufs, auch wenn ich ihn sehr liebe. Niemals werde ich im Flugzeug die dringende Durchsage hören: »Wir brauchen einen Filmkritiker, bitte sofort beim Piloten melden.«

Ich versuche einfach, Orientierungshilfen in der Überfülle des filmischen Angebots zu geben, vielleicht Diskussionen anzuregen, und weiß, dass mich wie bei Fußballkommentatoren etwa die Hälfte des Publikums ohnehin für inkompetent hält. Das gehört zur Natur der Sache.

Corona Doch noch nie habe ich mich so überflüssig gefühlt wie in diesen Corona-Monaten, als die Kinos geschlossen wurden. Keine Interviews, keine Pressevorführungen, die sonst mein Leben strukturieren.

Ich arbeitete mich durch die TV-Programme und Streamingdienste, konnte endlich mit meinen Kindern über die Serien reden, die sie schon lange begeistern.

Auf dem Sofa liegend füllte ich peinliche Wissenslücken und sah Filmklassiker auf DVD, die zum Teil schon seit Jahren wie ein Vorwurf auf meinem Tisch lagen. In der erzwungenen Untätigkeit war mir immer klar, dass meine endlosen Tage der reine Luxus sind, verglichen mit der Not vor allem kleiner und mittlerer Arthouse-Kinos, von denen auch ich lebe. Ich berichte sonst über das, was bei ihnen gezeigt wird.

Publikum Viele der Kinobetreiber in meiner Region, in Berlin und Brandenburg, kenne und bewundere ich schon lange. Oft mit kompletter Selbstausbeutung schaffen sie die wunderbare Vielfalt unserer Kinolandschaft. Völlig ohne eigenes Verschulden sind sie nun trotz der Finanzhilfen in eine katastrophale Lage geraten, die wegen der strengen Auflagen, der Beschränkungen von Besucherzahlen auch nach der Wiedereröffnung noch lange anhalten wird.

Es gab in diesen seltsamen Tagen aber auch viele ermutigende Zeichen. Kunden spendeten großzügig für ihre Kinos oder kauften Gutscheine für die Zukunft.

Treuebeweis Von einem besonders schönen Treuebeweis erzählte mir die Familie Jurk, die das traditionsreiche »Capitol« in Königs Wusterhausen am Leben erhält. Die Enkelkinder einer filmbegeisterten Großmutter, sonst Stammkundin im »Capitol«, hatten ihr im Lockdown ein Heimkino eingerichtet.

Jedesmal, wenn sie sich eine DVD einlegte, steckte sie den symbolischen Eintrittspreis von fünf Euro in ein Sparschwein, das sie schließlich gut gefüllt an die gerührte Familie Jurk übergab. Solche Geschichten bestätigen mich in der Überzeugung: Vielleicht kann man ohne Filmkritiker leben, ohne Kino geht es nicht.

Der Autor ist Filmkritiker, Autor des Buches »Gerdas Schweigen. Die Geschichte einer Überlebenden« und regelmäßig Moderator beim Jüdischen Filmfestival Berlin & Brandenburg (JFBB).

Fernsehen

Luftraum in Israel gesperrt: »Fernsehgarten« ohne Kiewel

Die Moderatorin lebt in Tel Aviv - doch zu ihrer Jubiläumssendung konnte sie nicht anreisen

 15.06.2025

Leo Baeck Institut

»Die Wissenschaft ist keine Oase«

Michael Brenner über das vor 70 Jahren gegründete Archiv der Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums, freie Forschung und bedrohte Demokratie

von Ayala Goldmann  15.06.2025

Kunst

Öffnet die Herzen!

Die Israelin Bracha Lichtenberg Ettinger fordert mit einer intensiven Einzelschau in Düsseldorf die Besucher heraus

von Eugen El  15.06.2025

Interview

Susan Sideropoulos über Styling-Shows und Schabbat

GZSZ-Star Susan Sideropoulos hat im ZDF die neue Makeover-Show »That’s My Style«. Nur wenige wissen jedoch, wie engagiert die Enkelin jüdischer NS-Opfer gesellschaftspolitisch ist

von Jan Freitag  13.06.2025

Aufgegabelt

Pastrami-Sandwich

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025

Streaming

Doppelte Portion Zucker

Mit »Kugel« ist den Machern der Kultserie »Shtisel« ein vielschichtiges Prequel gelungen

von Nicole Dreyfus  12.06.2025

TV-Tipp

Das Schweigen hinter dem Schweinderl

»Robert Lembke - Wer bin ich« ist ein kluger Film über Verdrängung, Volksbildung und das Schweigen einer TV-Legende über die eigene Vergangenheit. Nur Günther Jauch stört ein wenig

von Steffen Grimberg  12.06.2025

Kulturkolumne

Annemarie, Napoleon und ich

Gute Bücher wachsen mit, hat mein Großvater immer gesagt. Warum »Desirée« von Annemarie Selinko uns alle überleben wird

von Sophie Albers Ben Chamo  12.06.2025

Aufgegabelt

Himbeer-Sorbet mit Zaatar

Rezepte und Leckeres

 12.06.2025