Tel Aviv

Ein Vierteljahrhundert Performance

Tänzerin der Gruppe »Ahoti« Foto: Flash 90

Tanzen gehört in Israel zum Lebensgefühl. Schon in den Kibbuzim gab es unzählige Folklore-Tanzgruppen, und bei jedem Fest wurde ausgelassen geschwoft. Heute sind Volkstänze vielleicht nicht mehr so angesagt. Dafür sieht man Anhänger des Rabbi Nachman von Bratzlaw in den Straßen wild zu Trancemusik hüpfen. Nachts kann man an den Stränden von Tel Aviv tanzende junge Leute beobachten.

Vielleicht ist diese Tanzleidenschaft ein Teil des Erfolges des Suzanne Dellal Centre. Ein weiterer Grund sind sicher die exzellenten Kompanien, denen das Zentrum Heimat und Plattform bietet – und nicht zu vergessen sein Direktor, Jair Vardi, der es seit seiner Gründung leitet. Das ist 25 Jahre her, und so ist die Geburtstagsfeier des Centre gleichzeitig auch Vardis Dienstjubiläum.

Gründer
Der 66-Jährige ist in Kfar Blum geboren, hat Tanz studiert, war Mitglied der Batsheva Dance Company und kam 1989 von einem beruflichen Abstecher aus England zurück. »Dort hatte ich ein Tanztheater geleitet, war verantwortlich für die Verwaltung und das Budget«, erzählt er. »Trockene« Tätigkeiten, die jedoch mit den Ausschlag gaben, dass Vardi die Stelle als Direktor des künftigen Suzanne Dellal Centre bekam.

Das bedeutete zunächst, den Aufbau der Gebäude in Tel Avivs Stadtteil Neve Tzedek zu begleiten. Die Geldgeber Jack Dellal und Zehava Helmer hatten sich für diesen Standort entschieden. Dort, in einer alten Schule, sollte das Tanzcenter zu Ehren ihrer verstorbenen Tochter Suzanne entstehen.

Viel war damals nicht zu sehen: ein altes Haus, das eigentlich abgerissen werden sollte. Drum herum staubige Straßen, keine Lampen, alte, kleine Häuser. »Es war ein Ort, an dem niemand sein wollte«, erinnert sich Vardi. Das ist Geschichte: Heute gehört Neve Tzedek zu den attraktivsten Stadtteilen. Nach einer mehrmonatigen Renovierungsphase wurde das Zentrum 1989 eröffnet. »Erst auch als Theaterstätte, relativ schnell jedoch konzentrierten wir uns auf den Tanz.«

Batsheva
Es war eine Zeit des Wandels: Die 1963 gegründete Batsheva Dance Company suchte eine neue Bleibe, und auch dem gerade neu verantwortlichen künstlerischen Leiter der Truppe, Ohad Naharin, gefiel die Idee eines Zentrums für Tanz. »Für mich stand fest, dass ich meine Zukunft weder in der Choreografie noch im Tanz sah, diese Kunst in Israel jedoch fördern wollte«, sagt Jair Vardi. Er entwarf ein inhaltliches Konzept für das Suzanne Dellal Centre, übernahm die Aufgaben der Verwaltung und Organisation und überließ die Kunst den anderen.

Auch andere Tanzkompanien in Israel – es gibt zahlreiche – zeigten Interesse am Suzanne Dellal Centre als Vorstellungsort und Platz für Workshops, Festivals und mehr. »Eine neue Generation von Tänzern und Choreografen war herangewachsen, die Lust, Neues auszuprobieren, war groß.« Trotzdem, der Weg zum Erfolg war steinig. Oft war Vardi der einzige Zuschauer.

»Es dauerte ungefähr fünf Jahre, bis die Leute vom Suzanne Dellal Centre wussten und auch den Weg in Kauf nahmen«, sagt der 66-Jährige. »Wir haben Kompanien eingeladen, organisierten Wettbewerbe und boten eine Plattform für junge Choreografen wie etwa bei ›Vorhang auf‹.« Auch wenn es nur langsam aufwärts ging, blieb Vardi bei der Überzeugung: »Wir machen etwas Neues hier, bieten Platz für Experimente.«

Tanzsprache Das Konzept ging auf: Unter dem Schirm des Suzanne Dellal Centre firmiert heute die in aller Welt bekannte Batsheva Dance Company mit der von Ohad Naharin entwickelten Tanzsprache »Gaga« und Vorstellungen, die dem Publikum den Atem rauben. Die nicht weniger bekannte Inbal Pinto und Avshalom Pollack Dance Company bezaubern bei Choreografien wie »Oyster« mit fantasievollen Kostümen, akrobatischen und tänzerischen Höchstleistungen.

Der 25. Geburtstag wird das ganze Jahr über gefeiert (Programm: www.suzannedellal.org.il). Das schönste Geschenk für Vardi war jedoch, dass der Bau eines zusätzlichen Studios nach jahrelanger Prüfung genehmigt wurde. »Wir haben lange dafür gekämpft, das haben wir verdient.«

www.suzannedellal.org.il

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Sachbuch

Aus dem Leben einer Rebellin

Gerhard J. Rekel hat der jüdischen Sozialaktivistin Lina Morgenstern eine lesenswerte Biografie gewidmet

von Gerhard Haase-Hindenberg  12.09.2025

TV

Auch Niederlande drohen mit ESC-Boykott, wenn Israel teilnimmt

Gastgeber Österreich hat sich bereits eindeutig für eine Teilnahme Israels ausgesprochen

 12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Nach Canceln in Gent

Solidarität in Berlin: Konzert mit Lahav Shani

Der israelische Dirigent und die Münchner Philharmoniker treten am Montag beim Musikfest Berlin auf

 12.09.2025

Belgien

Prosor: Ausladung von Shani »purer Antisemitismus«

Der israelische Dirigent Lahav Shani darf nicht auf dem Flanders Festival Ghent auftreten, weil er sich nicht genug vom Vorgehen Israels in Gaza distanziert habe. Das sorgt international für Kritik

 12.09.2025

Streaming

»Verstehen statt behaupten«

Ein Gespräch mit Dan Shaked über seine Abneigung gegen Petitionen, das Spionagedrama »The German« und den Dreh mit Schauspielkollege Oliver Masucci

von Katrin Richter  12.09.2025

Sehen!

»Humans 2.0«

Die Suche nach dem Moment des perfekten Gleichgewichts – das australische Ensemble »Circa« gastiert in Berlin

von Bettina Piper  12.09.2025

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  12.09.2025