Hamburg

»Ein unbegreiflicher Widerspruch«

Sänger, Pianist und Songschreiber: Billy Joel (69) Foto: dpa

Es ist für ihn etwas Besonderes. Auch nach über Tausend Konzerten. Auch für einen Weltstar wie ihn. Wenn Billy Joel am Samstag in Hamburg sein einziges Konzert in Deutschland spielen wird, kann man sich ziemlich sicher sein, dass es für den 69-Jährigen amerikanischen Sänger ein emotionaler Moment werden wird.

Denn ebenhier, in Deutschland, begann die Familiengeschichte von Billy Joels Großvater Karl Amson Joel. In Nürnberg betrieb der Unternehmer ein Versandhaus, das 1938 qua »Arisierung« in die Hände eines gewissen Josef Neckermann überging. Karl Amson Joel konnte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in die USA fliehen, sein Sohn, Billy Joels Vater Howard, nahm als GI an der Befreiung Europas teil.

flucht Zur tragischen Familiengeschichte gehört das Schicksal von Karls Bruder Leon, der Kaufmann im fränkischen Ansbach war. Nach den Novemberpogromen im Jahr 1939 gelang es Leon, mit seiner Frau und seinem Sohn Tickets für das deutsche Auswanderungsschiff »St. Louis« zu bekommen.

Mit mehreren Hundert anderen jüdischen Flüchtlingen an Bord verwehrte die USA dem Schiff, einen amerikanischen Hafen anzulaufen. Gezwungenermaßen mussten die Passagiere in Antwerpen wieder an Land gehen, viele wurden später von den Nazis ermordet. So auch Leon, seine Frau Johanna und ihr zehnjähriger Sohn Günther.

Leons Neffe Howard lernte in den USA seine spätere Frau Rosalind Nyman kennen, die aus Großbritannien stammte. 1949 bekamen sie einen Sohn, Billy Joel, der wie sein Vater ein hervorragender Klavierspieler werden sollte. Als Teenager interessierte sich Billy jedoch mehr für den Boxsport als für die Musik. Die Schule brach er ab.

Reinfall Schon früh spielte er in Piano-Bars, ab Ende der 60er-Jahre unter dem Künstlernamen Billy Martin. Nachdem Billy Joel die Beatles gehört hatte, beschloss er, Musiker zu werden. Er gründete die Band »The Echoes«. Sein Debütalbum Cold Spring Harbor war jedoch ein kommerzieller Reinfall.

Der Erfolg kam später: 1973 veröffentlichte Joel das Album Piano Man, in dessen Titelstück er sich mit seiner Geschichte als Barmusiker auseinandersetzte – und das ihm auch seinen Spitznamen einbrachte. Mit dem 1977 erschienenen Studioalbum The Stranger schaffte Joel den großen Durchbruch. Der Titel »Just the Way You Are« wurde bei den Grammys 1979 als Song des Jahres ausgezeichnet. Für das 1978 veröffentlichte Album 52nd Street erhielt Joel zwei Grammys.

Als erster amerikanischer Rockmusiker ging Billy Joel 1987 in der Sowjetunion auf Tournee. Die Konzerte inspirierten ihn zu dem Titel »Leningrad«. Große Hits wurden auch »We Didn’t Start the Fire« oder »She’s Always a Woman«. 1979 trat Joel in Kuba auf. Alben wie River of Dreams und Singles wie »All My Life« und »Christmas in Fallujah« folgten.

brit mila Billy Joel war dreimal verheiratet und hat eine Tochter. In seiner Jugend kämpfte er mit Depressionen, später auch mit Alkoholproblemen. Über sein Judentum sagte er kürzlich: »Meine Eltern kommen beide aus jüdischen Familien, aber ich wurde nicht religiös erzogen. Meine Beschneidung war jüdisch, als Elfjähriger wurde ich in einer Church of Christ in Hicksville getauft. Ich bin ein kultureller Jude. Ich mag den Humor der Lower East Side, das Essen. Ich finde, Jiddisch ist eine schrecklich ausdrucksreiche Sprache. Macht mich das zu einem ganzen Juden, oder nur teilweise? Ich bin nicht sicher.«

Lange Zeit seines Lebens hat Billy Joel kaum etwas von seiner Familiengeschichte gewusst. Noch heute, sagt er, stecke sie für ihn voller Geheimnisse. »In gewisser Weise verdanke ich meine Existenz den großen Katastrophen im Europa des 20. Jahrhunderts. Während ein großer Teil meiner Familie vernichtet wurde, überlebten meine Eltern – und ich wurde geboren. Das ist für mich ein unbegreiflicher Widerspruch.« ja

Volksparkstadion Hamburg: Samstag, 30. Juni, 20 Uhr

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025

Zahl der Woche

-430,5 Meter

Fun Facts und Wissenswertes

 12.11.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 13. November bis zum 20. November

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Interview

»Erinnern, ohne zu relativieren«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer über das neue Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, Kritik an seiner Vorgängerin Claudia Roth und die Zeit des Kolonialismus in der deutschen Erinnerungskultur

von Ayala Goldmann  12.11.2025

Erinnerungspolitik

Weimer: Gedenkstätten sind zentrale Pfeiler der Demokratie

Das Bundeskabinett hat ein neues Konzept für Orte der Erinnerung an die NS-Verbrechen und die SED-Diktatur beschlossen. Die Hintergründe

von Verena Schmitt-Roschmann  12.11.2025 Aktualisiert