Thriller

Ein jüdischer Dan Brown

Fast so spannend wie »Sakrileg«. Foto: emons:

Thriller

Ein jüdischer Dan Brown

Leon Sachs ist in »Falsche Haut« einem französischen Geheimbund auf der Spur

von Welf Grombacher  06.06.2016 17:38 Uhr

Ein mysteriöser Geheimbund beherrscht Frankreich. Ehemalige Kollaborateure der Nazis unterwandern das System und gründen mit dem Geld enteigneter jüdischer KZ-Opfer einen Staat im Staat. In allen wichtigen Positionen haben sie ihre Leute – Poli- tiker, Staatsanwälte, Bankiers. Sie nennen sich die »Wächter« und haben angeblich das Wohl Frankreichs im Sinn, vor allem aber ihre eigenes. Mit Geld und Gewalt halten sie ihren Bund am Leben.

Leon Sachs entwirft in seinem Thriller Falsche Haut ein ausweglos erscheinendes Bild der Bedrohung. Alles beginnt mit einem natürlichen Todesfall. Régis Villeneuve stirbt an den Folgen eines Magen-Darm-Infekts. Mit über 90 nichts Ungewöhnliches. Dann aber wird bei seinem Notar eingebrochen und das Testament gestohlen.

Resistance Wenig später findet die Polizei Régis’ besten Freund namens Serge Clement tot im Wald. An der Leiche lassen sich Folterspuren nachweisen. Im Zweiten Weltkrieg kämpften die Freunde Seite an Seite in der Resistance. Zusammen überlebten sie Auschwitz. Sein ganzes Leben widmete Serge später der Suche nach jüdischen Familienangehörigen, deren Spuren sich in den Lagern verloren haben.

Natalie, die ihre richtigen Eltern im Krieg verloren hat und von dem jüdischen Ehepaar Villeneuve adoptiert wurde, will Licht in die Ereignisse bringen. Zusammen mit dem Geschichtsprofessor Alexander Kaufmann beginnt sie mit den Nachforschungen. Ein 17 Jahre alter Erpresserbrief taucht auf, in dem ein Unbekannter droht, er werde Natalie töten, wenn Régis nicht mit den Recherchen aufhört.

Augenscheinlich hat ihr Vater die Einschüchterung ernst genommen und die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen. Doch es wirkt, als habe er der Tochter im Testament etwas mitteilen wollen. Auch sonst hinterlässt er ihr verdeckte Hinweise. Quer durch Frankreich reisen Natalie und Alex, um diesen Fingerzeigen nachzugehen: von Paris über Strasbourg bis Marseille und Bordeaux.

Schnell merken die beiden, dass jemand ihnen folgt. Doch immer sind sie einen Schritt voraus. Parallel dazu beginnt Pascal Bernard, ein kurz vor dem Ruhestand stehender Untersuchungsrichter, im Mordfall Clement zu ermitteln. Obwohl die Leiche verstümmelt wurde, lässt sich die Identität schnell klären, hat der Ermordete auf dem Arm doch die Häftlingsnummer aus Auschwitz. Es bleibt nicht bei einem Toten.

Sakrileg Bald zieht sich eine Blutspur durchs Land. Immer wieder wechselt die Perspektive des Thrillers. Mal folgt Sachs Alex und Natalie, dann dem Untersuchungsrichter, selbst die Täter kommen in kurzen Einblendungen zu Wort: jene besagten »Wächter«, die hinter den geheimnisvollen Ereignissen stehen.

Nicht nur die Schnitzeljagd quer durch Frankreich erinnert an den Bestseller Sakrileg. Manchmal hat man den Eindruck, Leon Sachs wolle sich als jüdischer Dan Brown etablieren. So weit aber ist es noch nicht.

Hinter dem Pseudonym Leon Sachs verbirgt sich der in Köln geborene Marc Merten, der Medienwissenschaft und Theologie studiert hat und jetzt als freier Sportjournalist arbeitet. Der FC-Fan betreibt das Blog »geissblog.koeln«. Als Enkel von Leo Sachs, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Gründungsmitgliedern der Synagogen-Gemeinde Köln gehörte, ist ihm das jüdische Leben von Kindheit an vertraut.

Für seinen Thriller hat Merten in Frankreich und im Moses-Mendelssohn-Zentrum in Potsdam recherchiert. Die Handlung ist trotzdem fiktiv. Obwohl von Anfang an sicher ist, dass der Geheimbund hinter den Machenschaften steht, versteht Merten, die Spannung zu halten, indem er lange offenhält, warum der Bund es gerade auf Natalie abgesehen hat.

Leon Sachs: »Falsche Haut«. Emons, Köln 2016. 336 S., 14,95 €

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