Streaming-Tipp

»Faking Hitler«

Es war einer der größten Medienskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte: 1983 veröffentlicht der »Stern« die Tagebücher von Adolf Hitler. Doch die sind gefälscht. Ein Stoff wie gemacht für Filme. Oder Serien. In »Schtonk!« von Helmut Dietl wurde das Thema 1992 bereits satirisch aufgegriffen.

Anfang der 90er lief zudem eine britische Fernsehserie mit komödiantischen Elementen dazu. Nun hat sich das Streamingportal RTL+ die spannende Geschichte geschnappt und ebenfalls eine Serie produziert. Und die heißt wie der 2019 erschienene Podcast - »Faking Hitler«.

Der Podcast erzählte die Geschichte aus Sicht des reingelegten »Stern«-Reporters Gerd Heidemann und des Kunstfälschers Konrad Kujau anhand von Original-Mitschnitten von Telefonaten der beiden. Auch die neue sechsteilige Serie bereitet den Weg bis zur Veröffentlichung der Tagebücher auf - augenzwinkernd, unterhaltsam und mit fiktiven Elementen.

Erzählt wird aus der Sicht von Kujau (Moritz Bleibtreu), Heidemann (Lars Eidinger) und der jungen Journalistin Elisabeth Stöckel (Sinje Irslinger). Die hat damit zu kämpfen, dass ihr Vater (Ulrich Tukur) als junger Mann Teil der Waffen-SS war und sie deshalb nun von einem jüdischen Nazi-Jäger (Daniel Donskoy) erpresst wird.

UFA-Produzent Tommy Wosch wollte mit dem Film auch der Frage auf den Grund gehen: Wie viel Nationalsozialismus steckt eigentlich in unserer Gesellschaft? »Also auch gerade diese schweigende Masse. Die durchgeknallten, tätowierten Idioten mit Springerstiefeln, die kann man ja auch numerisch fassen«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.

Das Thema habe ihn schon als Kind und Jugendlichen beschäftigt, das sei durch die Pegida-Bewegung wieder verstärkt worden. Und es bleibe leider weiter aktuell: »Vor ein paar Wochen hat die AfD in meinem Wahlkreis knapp 30 Prozent erreicht. Ich meine, es hört einfach nicht auf. Es ist unfassbar.« Diesen Kontext hat Wosch im Drehbuch über die Geschichte der Journalistin und ihres Vaters mit Nazi-Vergangenheit einfließen lassen.

Als Überthema für beide Stränge hat er sich für das Thema Verführung und Verführbarkeit entschieden. Verführung durch Geld, durch Ruhm, durch Anerkennung. »Ich mag Filme, in denen Menschen auf dem Höhepunkt nicht aufhören können«, so Wosch.

Moritz Bleibtreu spielt in »Faking Hitler« den so schmierigen wie dreisten und begabten Kunstfälscher Konrad Kujau, der nicht nur die Tagebücher des Führers gefälscht, sondern auch angeblich von Hitler gemalte Bilder hergestellt hat. Mit hervorragendem schwäbisch-sächsischem Dialekt und fettem Schnurrbart. Die Serie sei durchaus mit »Schalk im Nacken« geschrieben worden - und so habe er seine Rolle auch spielen dürfen, das habe ihn an der Rolle gereizt, sagte Bleibtreu der Nachrichtenagentur dpa dazu. »Ich spiele immer wieder unheimlich gerne komödiantisch. Meine erste Liebe war immer die Komödie und das wird auch immer so bleiben.«

Der Kujausche Kauderwelsch sei ihm dabei leicht von den Lippen gegangen. »Ich spreche mehrere Sprachen und bin auch mit Dialekten ziemlich gut. Nicht nur, dass es mir leicht fällt, es macht mir auch sehr viel Spaß.«

Viel schwieriger sei für ihn das Luftanhalten in der Badewanne gewesen, das Kujau in dem Film hin und wieder macht. »Ich hasse es, meinen Kopf in der Badewanne unter Wasser zu halten. Da läuft ja Wasser in die Ohren. Und wir haben fast drei Tage in der Badewanne gedreht. Aber ich glaube, es ist ganz hübsch geworden«, so Bleibtreu weiter.

Die Serie besticht aber nicht nur durch die leichte Komik und die so unglaubliche wie wahre Geschichte. Sie fasziniert vor allem durch die Charaktere. Man folgt ihnen gern durch ihre emotionalen Achterbahnfahrten, kann zum Teil vielleicht sogar ihre Entscheidungen nachvollziehen. Und jeder für sich bekommt - trotzdem oder vielleicht auch deswegen - immer wieder Sympathiepunkte.

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert