Antisemitismus

documenta-Kuratoren halten an Propaganda-Filmen fest

Das indonesische Künstlerkollektiv ruangrupa Foto: imago/epd

Während der documenta in Kassel ist erneut eine offene Auseinandersetzung um kritisierte Kunstwerke ausgebrochen. Nach der jüngsten Kritik wegen als antisemitisch eingeschätzter Kunstwerke hält die künstlerische Leitung an den Arbeiten fest. Auch die documenta-Spitze will nicht handeln.

Die Gruppe »ruangrupa« weigere sich, die Vorführung der als terrorglorifizierend und judenfeindlich bezeichneten Filme unter dem Namen »Tokyo Reels Film Festival« abzusetzen, teilte die documenta in Kassel der Jüdischen Allgemeinen auf Anfrage mit. Die Geschäftsleitung nehme die Einschätzung des Expertengremiums zur Kenntnis, aber die alleinige Entscheidung über eine vorübergehende Entnahme der Filme aus der Ausstellung stehe »ruangrupa« zu.

EXPERTENGREMIUM Das Expertengremium unter der Leitung der Frankfurter Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff hatte in einer ersten Einschätzung gefordert, die Vorführung propalästinensischer Propagandafilme aus den 60er- bis 80er-Jahren unter dem Namen »Tokyo Reels Film Festival« auf der documenta sofort zu stoppen.

Antisemitische Filmstücke würden mit Künstlerkommentaren versehen, die »den Israelhass und die Glorifizierung von Terrorismus« legitimierten. Die einseitig negative Darstellung Israels, dessen Politik mit dem nationalsozialistischen Deutschland gleichgesetzt werde, schlage »mehrfach in offenen Antisemitismus« um.

TERRORANSCHLÄGE Die Filme stehen nach Angaben des Expertengremiums im Zusammenhang mit Masao Adachi und der »Japanischen Roten Armee«, die Terroranschläge gegen israelische Zivilisten verübte, darunter das Massaker am Flughafen Lod 1972. Eine Wiederaufnahme der Vorführungen sei nur in einem erklärenden Zusammenhang denkbar.

Auch der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker forderte, dass die Vorführung der »israelfeindlichen Propaganda-Filme« sofort von der künstlerischen Leitung der documenta gestoppt werden müsse.

Deutliche Kritik kam ebenfalls vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. »Die Ausstrahlung der Propagandafilme »Tokyo Reels« muss sofort beendet werden. Mit ihrer Tirade zeigen die Kuratoren und Künstler, dass sie wissenschaftliche Befunde nur respektieren, wenn sie in ihr Weltbild passen«, teilte er am Montag mit. Es sei Aufgabe der Gesellschafter und der politisch Verantwortlichen, deutliche Konsequenzen aus den Ergebnissen des Expertengremiums zu ziehen. »Diese documenta hat dem Ansehen Deutschlands geschadet«, meinte Schuster. dpa/epd/ja

Glosse

Nisht keyn joke

Warum Alpenjiddisch endlich Umgangssprache für alle Menschen auf der Welt werden sollte

von Beni Frenkel  30.03.2023

USA

Seinfelds Jubiläum im New Yorker Beacon Theater

Kein Comedian hatte in der legendären Einrichtung mehr Shows als er

 30.03.2023

Serie

Der Kopf als Rührschüssel

Taffy Brodesser-Akners Bestseller über Midlife-Krisen in New York wurde verfilmt – zum Glück!

von Sophie Albers Ben Chamo  30.03.2023

Tagung

Zum Auflehnen verpflichtet?

Was Widerstand aus den Blickwinkeln der Philosophie, Geschichte, Religion und des Rechts bedeutet

von Heinz-Peter Katlewski  30.03.2023

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 29.03.2023

Berlin

Staatsoper Berlin mit Saison nach Barenboim

Als Dirigent ist er weiterhin beteiligt. Für einige Konzerte ist er eingeplant

von Gerd Roth  29.03.2023

Glosse

Über Charlie Chaplin und andere Scheinjuden

Wie konnte sich die Geschichte von Chaplins Jüdischsein so lange halten?

von Joshua Schultheis  28.03.2023

Studie

Der Chili-Junge

Wie ein Elfjähriger mit einer einzigartigen Genmutation zum Hoffnungsträger in der Schmerzforschung wurde

von Lilly Wolter  28.03.2023

Literatur

Uneitles Dokument

Der Schauspieler Lenn Kudrjawizki hat seine Familie porträtiert – ein sensibles Erkunden der eigenen Wurzeln

von Knut Elstermann  28.03.2023