Jan-Philipp Hein

Die Nürnberger Prozesse der CO2-Endzeitprediger

Beim »Stern« hatten sie neulich eine ziemlich schlechte Idee. Die Redaktion ließ »Fridays for Future« Ende September eine ganze Ausgabe mitgestalten. Immerhin: Der Leser wurde darüber ganz transparent informiert. Jeder wusste, dass er kein journalistisches, sondern ein aktivistisches Produkt in den Händen hielt.

Bei der ARD hat man es entweder versäumt, die Zuschauer darüber zu informieren, dass man den eigenen Laden ein paar Klimaaktivisten anvertraut hat, oder – und da weiß man jetzt nicht, ob das nicht noch viel schlimmer ist – man tickt auch ohne Fremdeinwirkung so, wie in den einschlägigen Kreisen üblich.

Die Macher hatten als Vorbild für den Film die Nürnberger Krigsverbrecherprozesse vor Augen.

Die Themenwoche des Senderverbunds unter dem Titel »Wie leben? Bleibt alles anders« befasst sich nun mit der Endzeit des Menschlichen im Jetzt und der näheren Zukunft. Das Jetzt verarztet die Social-Media-Redaktion der ARD mit dieser ganz arglos gestellten und doch unerhörten Frage – Stichwort Birth-Shaming – auf Twitter: »Was ist euch wichtiger? Eigene Kinder oder die Ressourcen der Erde?«

KAMMERSPIEL Bei der näheren Zukunft versucht man es mit einem eineinhalbstündigen – nun ja – Science-Fiction-Film. Ökozid spielt in 14 Jahren, 31 Staaten des globalen Südens klagen Deutschland wegen dessen Klimapolitik vor dem Internationalen Gerichtshof an. Dass der Film eine Mischung aus einer zeitgenössischen, aber leider unironischen Science Fiction der rumpeligen Machart Raumpatrouille Orion und einem miesem Kammerspiel ist: geschenkt.

Dass die ARD hier ein Machwerk produziert hat, das wie von der Endzeitsekte »Extinction Rebellion« erdacht wirkt, ist der eigentliche Skandal: Die beiden Autoren hatten, wie man hier sehen kann, die Nürnberger Prozesse vor Augen, als sie ihre Idee entwickelten. Man muss also ganz klar sagen: Sie hatten nichts Geringeres vor, als den Holocaust zu relativieren. Und damit sind sie Teil eines Klimadiskurses, der grundsätzlich wichtig und richtig ist, aber schon länger völlig aus den Fugen geraten und heillos überhitzt ist.

SKANDAL Es war der Gründer von »Extinction Rebellion«, Roger Hallam, der dem »Spiegel« vor einem Jahr in einem Interview sagte: »Der Klimawandel ist nur das Rohr, durch den Gas in die Gaskammer fließt. Er ist nur der Mechanismus, durch den eine Generation eine andere tötet.«

https://www.youtube.com/watch?v=pjx_Gl5XTUM

Dass die ARD aus der Idee hinter diesem Satz, in dem keine Silbe und kein Gedanke richtig ist, einen Film macht und eine solche Idee alle Instanzen der Senderfamilie bis zur Ausstrahlung zur besten Sendezeit auf dem besten Kanal mit Erfolg durchläuft, ist nichts anderes als ein Skandal – und es ist weit schlimmer als die Fridays-for-Future-Verirrung des »Stern«.

Der Autor ist freier Journalist und lebt in Berlin.

Raubkunst

Drei Millionen Franken für Bührle-Stiftung

Die Stadt Zürich beantragt Kredit für vertiefte Provenienzforschung der Sammlung Bührle

 22.08.2025

Medien

Fiktion statt Fakten

Matti Friedman hat viele Jahre für die Nachrichtenagentur AP berichtet. Der Journalist kennt die Probleme der Gaza-Berichterstattung aus erster Hand

von Gunda Trepp  22.08.2025

Camille Pissarro

Leidenschaft. Freiheit. Kunst

Das Potsdamer Museum Barberini zeigt mehr als 100 Gemälde des jüdischen Impressionisten

von Maria Ossowski  21.08.2025

Roman

Unter den Dächern von Paris

Fast 100 Jahre nach ihrem Entstehen erscheint Sebastian Haffners berührende Liebesgeschichte

von Alexander Kluy  21.08.2025

TV-Tipp

»Wonder Woman«: Von der Welt der griechischen Sagen in den Ersten Weltkrieg

Das Entree der Comic-Heroine Wonder Woman in die Welt des modernen Blockbuster-Kinos ist nach wie vor eine der besten unter den (Neu-)Verfilmungen von DC-Comics

von Jan Lehr  21.08.2025

Streaming

»Chabos« fährt mit Vollgas in die Nullerjahre

Die Serie führt Zuschauer mitten in eine verhängnisvolle Nacht mit einem illegalen Film-Download. Arkadij Khaet führte Co-Regie

von Simone Andrea Mayer  21.08.2025

Kulturkolumne

Verhandeln auf Tinder

Dating in Zeiten der Wassermelone

von Laura Cazés  21.08.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  21.08.2025

Imanuels Interpreten (12)

Paula Abdul: Die Tänzerin

Die auch als Sängerin, Schauspielerin und Geschäftsfrau bekannte kalifornische Jüdin führt ein abwechslungsreiches Leben

von Imanuel Marcus  20.08.2025