Berlinale

»Die Hunde, das sind wir«

Herr Goldblum, Ihre Sprecherrolle in »Isle of Dogs« ist bereits Ihre dritte Zusammenarbeit mit Wes Anderson. Was macht ihn zu einem so besonderen Regisseur für Sie?
Wes ist wie seine Filme. Er ist liebenswürdig, zutiefst menschlich, bescheiden und brillant. Aber eben auch jemand, der sich sehr ernsthaft mit Themen auseinandersetzt, zu denen jeder Mensch einen Bezug hat. Ganz zu schweigen davon, dass er als Boss am Filmset niemand ist, der andere ausnutzt oder übervorteilt, was in unserem Business ebenso wunderbar wie selten ist.

Welche Themen sind es denn, die Ihrer Meinung nach in »Isle of Dogs« und seinen anderen Filmen verhandelt werden?

Wer glaubt, Wes’ Filme seien wegen ihrer Verspieltheit, wegen ihrer Künstlichkeit und Formalität leichte Kost oder Wes würde bloß auf wunderschöne Oberfläche Wert legen, der täuscht sich. Seine Genialität und Brillanz zeigen sich gerade darin, dass es in diesen fantastisch anzusehenden Kleinoden immer eine echte Tiefe gibt. Das ist nun auch wieder in Isle of Dogs so. Es geht ja nur vordergründig um animierte Hunde in Japan, die aus Megasaki City verbannt werden. Das vermeintliche Schräge und Verspielte ist nur Mittel zum Zweck, um eigentlich über Verlust, Abschiede und das Bittersüße der Kindheit zu sprechen. Die Hunde in Isle of Dogs, das sind in gewisser Weise ja auch wir selbst.

Haben Sie einen Lieblingsfilm von Anderson?
Ich liebe jeden einzelnen, sie sind alle sehr besonders und in ihren Ähnlichkeiten ja durchaus auch sehr unterschiedlich. Die, in denen ich mitgespielt habe, also Die Tiefseetaucher und Grand Budapest Hotel, liegen mir natürlich besonders am Herzen, einfach durch meine Erinnerungen an die Dreharbeiten. Aber ich bin auch ein großer Fan von Die Royal Tenenbaums oder Der fantastische Mr. Fox.

Kommen wir von Anderson zu Ihnen. Was bringt Sie zum Lachen? Was macht Ihren Humor aus?
Puh, eine große Frage. Ich lache viel und gerne. Seit ich nun auch Kinder habe, merke ich mehr denn je, wie viel Freude ich daran habe, andere zum Lachen zu bringen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich meinen eigenen Humor mit zwei oder drei Worten auf den Punkt bringen kann. Und ich bin mir nicht einmal sicher, woher ich ihn habe. Sicherlich bis zu einem gewissen Grad von meinen Eltern, die waren durchaus humorvoll, was bei jüdischen Eltern zuweilen vorkommen soll. (lacht) Aber ich glaube, bis zu einem gewissen Grad ist es mit Humor wie mit Talent: Man wird damit geboren oder eben auch nicht.

Sie sind inzwischen 65 Jahre alt, Ihre ersten Rollen spielten Sie vor über 40 Jahren. Doch wenn man sich online umschaut, scheinen Sie aktuell beliebter denn je ...
Ich mache mir keine Illusion darüber, dass Ruhm etwas sehr Flüchtiges ist, in heutigen Zeiten und gerade in sozialen Netzwerken noch viel mehr als ohnehin immer schon. Wer heute in ist, kann morgen wieder vergessen sein.

Aber haben Sie Freude an so etwas?
Oh ja, und ich muss gestehen, dass ich diese Seite des Jobs immer schon genießen konnte. Ich war nie einer der Schauspieler, die es als Belastung empfunden haben, Fans zu haben und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich fand das immer toll, wie viel Liebe mir bisweilen von Fremden entgegengebracht wurde. Inzwischen bin ich ja auch auf Instagram, und da freue ich mich, wenn den Leuten gefällt, was ich poste.

Googeln Sie sich selbst?
Ab und zu suche ich auch nach #JeffGoldblum. Ist natürlich albern, und meine Frau schüttelt immer den Kopf. Aber ich finde es bemerkenswert, was sich da alles finden lässt. Nicht nur Fans, die ihre Selfies mit mir online stellen, sondern auch herrliche kleine Zeichnungen von mir. Oder neulich jemand, der sich ein Bild meines Gesichtes hatte tätowieren lassen. Faszinierend!

Sie haben Ihre beiden Kinder schon erwähnt. Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?
Oh, schon wieder so eine große Frage, über die man eigentlich tagelang nachdenken müsste. Allein die Tatsache, dass da plötzlich diese beiden kleinen Knirpse sind, macht natürlich alles anders. Auch die Beziehung zu meiner Frau Emily ist dadurch noch einmal gewachsen. Kinder sind eine Belastungsprobe für ein Paar, aber sie schweißen auch zusammen. Und insgesamt bin ich, seit Charlie Ocean, der jetzt zweieinhalb ist, und River Joe, der zehn Monate alt ist, auf der Welt sind, ein deutlich emotionalerer Mensch geworden.

Das könnte auch daran liegen, dass Sie seither zu wenig schlafen, oder?
Haha! Mein Energiehaushalt ist in der Tat ein anderer. Aber ich bin ein ziemlich disziplinierter Typ und vor allem jemand, dem Schlaf wirklich wichtig ist. Also machen Sie sich keine Sorgen. Ich gehe jetzt tatsächlich meistens zwischen 21 und 22 Uhr ins Bett, damit mein Ruhebedürfnis nicht zu kurz kommt. Dann stehe ich gegen 6 Uhr in der Früh wieder auf, um entweder Klavier zu spielen oder ein bisschen Sport zu machen. Und ab 7 Uhr wecken wir die Kinder. Bislang würde ich also eher sagen, dass die Kinder mich in Sachen Kraft und Energie eher beflügeln als auslaugen. (lacht)

Eine letzte Frage noch zu einem ganz anderen Thema, um das man aktuell in der Filmbranche und natürlich auch bei dieser Berlinale nicht herumkommt. Wie erleben Sie die ganzen Enthüllungen und Diskussionen, die im Zuge des Weinstein-Skandals und der MeToo-Bewegung gerade Ihre Branche erschüttern?
Ich verfolge das sehr aufmerksam und bin nicht unbedingt überrascht, aber natürlich erschüttert. Insgesamt finde ich das alles sehr gut, was da gerade passiert. Es setzt eine dringend nötige Veränderung ein. Und ich finde, wir Männer sollten in allererster Linie einfach zuhören und zu verstehen versuchen. Wir müssen die Frauen fördern und unterstützen, die so mutig waren und sind, sich mit ihren Erfahrungen öffentlich zu Wort zu melden. Und wir müssen dazulernen und aufmerksam und wachsam sein, sowohl was das Umfeld als auch das eigene Verhalten angeht. Gegenseitiger Respekt, Anstand und Sensibilität müssen so groß wie möglich geschrieben werden!

Mit dem Schauspieler sprach Patrick Heidmann. »Isle of Dogs« kommt am 10. Mai in die deutschen Kinos.

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