Gedenken

Die Fotografie aus den Fesseln befreit

Eine Familienunterkunft für Einwanderer auf Ellis Island (New York), um 1932 fotografiert von Erich Salomon Foto: picture-alliance / akg-images

Gedenken

Die Fotografie aus den Fesseln befreit

Vor 80 Jahren wurde Erich Salomon im KZ Auschwitz ermordet

von Christiane Laudage  05.07.2024 14:51 Uhr

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Bottalk ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Bottalk angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

»Dr. der Jurisprudenz gibt Ihnen während der Beförderung Instruktionen über die Regierungsmaßnahmen zur Währungsumstellung von der Deutschen Mark zur Rentenmark«. Erich Salomons wohlhabende Familie hatte in der Inflation 1923 ihr Vermögen verloren, jetzt war Einfallsreichtum gefragt - warum nicht Taxidienste anbieten?

Mit dieser Anzeige in der »Vossischen Zeitung« begann eigentlich die späte und sehr erfolgreiche Karriere des Juristen Erich Salomon, der als der Fotograf der Weimarer Republik Geschichte gemacht hat. Nicht nur das, er gilt als Mitbegründer des Bildjournalismus. Salomon, seine Frau Maggy und Sohn Dirk wurden vor 80 Jahren, am 7. Juli 1944, im KZ Auschwitz ermordet, weil sie Juden waren.

Die Annonce für sein Taxi-Unternehmen führte 1925 zu einer Mitarbeit in der Werbeabteilung des Berliner Ullstein-Verlags und dann zu einer freiberuflichen Tätigkeit als Bildjournalist. Diese Berufsbezeichnung soll seine eigene Wortschöpfung gewesen sein. Sein großer Durchbruch kam 1928, als seine mit versteckter Kamera gemachten Bilder eines Mordprozesses in der »Berliner Illustrirten« erschienen.

Schluss mit gestellten Bildern

»Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken« - in diesem Buch veröffentlichte Salomon 1931 seine Bilder. In einem Feature aus dem gleichen Jahr für die Zeitschrift »Gebrauchsgraphik« schreibt der Autor Hans Sahl den durchschlagenden Moment in der Fotokarriere Salomons der Erfindung der lichtstarken Objektive zu. Salomon habe erkannt, dass sich ihm eine Chance geboten habe. Statt auf Kommando gestellte Fotos zu machen, könne man nun den Moment einfangen, der so viel aussagekräftiger sei.

Der französische Politiker Aristide Briand soll gesagt haben: »Was ist schon eine internationale Konferenz, wenn Salomon nicht dabei ist...« Was Salomon zugute kam, war seine Herkunft aus einer großbürgerlichen jüdischen Familie und ein entsprechendes gesellschaftsfestes Auftreten.

Salomon erzählte dem Autor Sahl mit offensichtlichem Vergnügen, er müsse ständig neue Tricks erfinden, um seine Kamera unauffällig in Stellung zu bringen. Er habe sich schon als Malermeister verkleidet oder seine Kamera in einen Pappkarton eingebaut. Salomon benutzte eine Ermanox, später ab 1932 eine Leica.

Den Bildjournalismus begründet

Während der Weimarer Republik betätigte er sich als Parlamentsfotograf. In den Niederlanden, wo er seit 1933 im Exil lebte, war er der erste Fotograf, der Zugang zu den Debatten im Parlament erhielt. Außerdem war er der erste Pressefotograf, der im Weißen Haus fotografieren durfte, aber auch im Haus des Völkerbunds in Genf, im Berliner Reichstag und bei internationalen Politikertreffen. Salomon wird dafür gelobt, eine positive Bildsprache des Parlamentarismus geschaffen zu haben.

»Mit Lebendigkeit, anekdotischer Spitzfindigkeit und psychologischer Einsicht hat Salomon die Pressefotografie zu der Form entwickelt, die heute als Bildjournalismus unentbehrlich und selbstverständlich geworden ist«, würdigt ihn die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh). Seine Auffassung und seine Wertmaßstäbe bilden noch heute die Norm, an der sich ein nunmehr etablierter kritischer Berufsstand orientiere, so die DGPh.

Nachdem Deutschland 1940 die Niederlande besetzt hatte, war die Familie Salomon auch dort nicht mehr sicher. Vorsichtshalber versteckte der Fotograf die Negative an verschiedenen Orten, unter anderem in Einmachgläsern, die unter dem Hühnerstall bei einem Freund vergraben wurden. Die Familie versteckte sich, wurde aber verraten.

Sein Sohn rettete den fotografischen Nachlass

Salomons Sohn Otto überlebte als Einziger der Kernfamilie, weil er 1935 in England bei der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) als Lehrling beginnen konnte. Das beinhaltete eine lebensrettende offizielle Aufenthaltserlaubnis. 1946 reiste er in die Niederlande, um die Bilder seines Vaters an sich zu nehmen und dafür zu sorgen, dass dieser nicht vergessen wurde.

Die Berlinische Galerie verwahrt seit 1981 den Nachlass des Fotografen. Insgesamt sind im Erich-Salomon-Archiv über 10.000 Fotografien, Negative und Archivalien vorhanden.

Seit 1971 verleiht die DGPh den Dr. Erich Salomon-Preis zur Auszeichnung einer »vorbildlichen Anwendung der Fotografie in der Publizistik«. Er diene zugleich dem Andenken an den »großen Fotografen der Weimarer Republik«, dem der moderne Bildjournalismus starke Anregungen verdanke. Der Preis besteht aus einer Urkunde sowie einer Leica-Kamera und wird jährlich verliehen. Bewerben kann man sich übrigens nicht selbst.

Fernsehen

»Die Fabelmans«: Steven Spielbergs Familiengeschichte als TV-Premiere

In »Die Fabelmans« erzählt der jüdische Star, wie er vom Film-begeisterten Sammy zu einem jungen Regisseur heranwuchs

von Rüdiger Suchsland  17.08.2025

Forum

Leserbriefe

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 17.08.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Imanuel Marcus, Katrin Richter  17.08.2025

Kino

»The Life of Chuck«: Das Universum zwischen unseren Ohren

Die Geschichte dieser tragisch-herzlichen jüdische Familie, diese grandiose Idee, das Leben von Chuck genau so zu erzählen, ist ein Geschenk!

von Sophie Albers Ben Chamo  15.08.2025

Bonn

»Monk in Pieces«: Filmdoku über eine Meisterin der Klangsprache

Babysprache und Tierlaute: In den Werken der Musikerin Meredith Monk spielt Gesang, jedoch nicht der Text eine Rolle. Ein neuer Dokumentarfilm nähert sich der einzigartigen Künstlerin

von Michael Kienzl  14.08.2025

Aufgegabelt

Kalte Wassermelonen-Lollis

Rezepte und Leckeres

 14.08.2025

Kulturkolumne

Sehnsucht nach Youkali

Über einen Sommerabend mit Kurt Weill

von Sophie Albers Ben Chamo  14.08.2025

Kanada

Toronto Film Fest will Doku zum 7. Oktober nun doch zeigen

Das Festival hatte urheberrechtliche Bedenken, weil in »The Road Between Us: The Ultimate Rescue« Videoaufnahmen von Hamas-Terroristen gezeigt werden

 14.08.2025

Interview

»Mein Mann wacht lächelnd auf«

Lily Brett ist eine der renommiertesten Autorinnen der modernen Literatur. Ein Gespräch über nicht funktionierende Hypnose, gefälschte Entschuldigungszettel und die richtige Kommasetzung

von Katrin Richter  14.08.2025