TV-Tipp

Deutsche Geschichten

Alexa Karolinski Foto: Stephan Pramme

TV-Tipp

Deutsche Geschichten

In »Lebenszeichen – Jüdischsein in Berlin« zeichnet Alexa Karolinski das vielschichtige Porträt ihrer Familie

von Denise Thomas  06.10.2019 11:34 Uhr

Annie Karolinski Donig beginnt mit großer Sorgfalt, eine lange Tafel zu decken: Sie richtet die Teller akkurat am Tischrand aus, sortiert feinsäuberlich die Messer, schiebt anschließend die Stühle an. So startet die Dokumentation »Lebenszeichen - Jüdischsein in Berlin« der deutsch-kanadischen Filmemacherin Alexa Karolinski, die morgen im ZDF und ab heute in der ZDF-Mediathek zu sehen ist.

Annie Karolinski Donig ist ihre Mutter. Am Ende der Dokumentation ist sie fertig mit Tischdecken, und ihre Gäste nehmen Platz an der langen Tafel. In den 80 Minuten dazwischen hat Tochter Alexa den Zuschauer mitgenommen auf eine Reise durch das jüdische Leben in Berlin - zwischen Ritualen, persönlichen Erinnerungen und vererbtem Trauma.

Karolinski lässt Zufallsbegegnungen, Wissenschaftler, Freunde und Bekannte zu Wort kommen - verliert aber ihre Familiengeschichte nicht aus den Augen.

GESCHICHTEN »Lebenszeichen - Jüdischsein in Berlin« ist der zweite Teil von Karolinskis Trilogie über jüdisches Leben in Deutschland. Nach »Oma und Bella« (2012), Karolinskis preisgekröntem Doppelporträt ihrer jüdischen Großmutter und deren bester Freundin, die beide den Holocaust überlebt haben, wagt sie in »Lebenszeichen« einen weiteren Blick auf jüdische Lebenswelten in der Hauptstadt, ihrer Heimatstadt.

Sie lässt Zufallsbegegnungen, Wissenschaftler, Freunde und Bekannte zu Wort kommen - verliert aber gleichzeitig ihre eigene Familiengeschichte nicht aus den Augen.

Karolinskis Mutter Annie erzählt, wie sie Anfang der 80er-Jahre wegen ihres deutsches Ehemannes von Kanada nach Deutschland zog und davon, wie schwer es ihr fiel, sich außerhalb der jüdischen Gemeinde zu integrieren. »Ich habe mich völlig gettoisiert«, sagt sie. Ihre Eltern hatten beide den Holocaust überlebt, sie kamen nach dem Krieg aus Polen über Israel und Italien nach Kanada.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Erlebnisse und Verluste ihrer Eltern hätten ihre Kindheit stark geprägt, erzählt Annie ihrer Tochter Alexa. Mit ihrem Bruder David tauscht sich die Berliner Filmemacherin über Herkunft und Identitätsfragen aus. »Warum sagst du nicht einfach, dass du jüdisch bist?«, fragt sie ihren Bruder, als er erzählt, dass er oft gefragt werde, wo er denn »eigentlich« herkomme.

»Wenn ich sage, ich bin Israeli, was natürlich völliger Quatsch ist, würden die Menschen das verstehen. Aber diese Antwort, ich bin Jude, die ist so komisch«, entgegnet er. »Aber letztendlich ist das die einzige Antwort, die ich geben kann.«

Und auch Großmutter Regina, der sich Karolinski im ersten Teil ihrer Trilogie widmete, kommt in dieser Dokumentation wieder zu Wort. Solche Familiengeschichte, die persönliche Note, das Belauschen eines intimen Gesprächs unter Verwandten sind das Besondere an dem Film. Sie geben der Dokumentation Struktur.

Die Schoa-Überlebende Evelyn Gutmann berichtet, wie sie den Krieg in verschiedenen Verstecken rund um Berlin überlebte.

Drumherum hat Karolinski die Empfindungen und Erlebnisse der anderen Protagonisten gestrickt: Da ist unter anderem das französische Geschwisterpaar, das das Berliner Holocaust-Mahnmal besucht; der Medienwissenschaftler Siegfried Zielinski, der über die Auswirkungen der weltbekannten Serie »Holocaust« berichtet, die Holocaust-Überlebende Evelyn Gutmann, die den Krieg in verschiedenen Verstecken rund um Berlin überlebte, das Ehepaar Michalski, das mehrmals in der Woche ein Deportations-Denkmal an der Berliner Friedrichstraße putzt, und das Historiker-Ehepaar Grossmann-Mecklenburg, beide Spezialisten auf dem Gebiet der deutsch-jüdischen Geschichte.

Ihre Erzählungen lösen den Film von der Familienhistorie der Regisseurin und geben der Dokumentation einen allgemeinen Charakter. »Lebenszeichen - Jüdischsein in Berlin« ist eben nicht nur ein intimes Familienabbild, sondern auch ein vielstimmiges Porträt der deutschen Hauptstadt und ihrer jüdischen Geschichte beziehungsweise der heutigen jüdischen Lebensrealität.

Das ZDF zeigt die Dokumentation am Montag, den 7. Oktober 2019, um 0.15 Uhr im Rahmen ihrer Sendereihe »Das kleine Fernsehspiel«. Ab Sonntag, den 6. Oktober 2019, ist der Film außerdem eine Woche lang in der ZDFmediathek abrufbar.

Interview

»Die Zeit der Exzesse ist vorbei«

In ihrem neuen Buch »Glamour« setzt sich die Berliner Autorin Ute Cohen mit Schönheit und Eleganz auseinander. Dabei spielt auch Magie eine Rolle - und der Mut, sich selbst in einer »Zwischenwelt« inszenieren zu wollen

von Stefan Meetschen  17.12.2025 Aktualisiert

Potsdam

Kontroverse um Anne-Frank-Bild mit Kufiya

Ein Porträt von Anne Frank mit Palästinensertuch in einem Potsdamer Museum entfacht Streit. Während Kritiker darin antisemitische Tendenzen sehen, verteidigt das Museum das Bild. Die Hintergründe

von Monika Wendel  17.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  17.12.2025

Nachruf

Albtraum in der Traumfabrik

Eine Familientragödie hat den Hollywood-Riesen und seine Frau aus dem Leben gerissen. An Rob Reiners Filmen voller Menschenliebe wie »Harry und Sally« ist eine ganze Generation mitgewachsen

von Sophie Albers Ben Chamo  17.12.2025

Theater

Die Krise des Schlemihl

»Sabotage« von Yael Ronen ist ein witziger Abend über einen Juden, der sich ständig für den Gaza-Krieg rechtfertigen muss

von Stephen Tree  17.12.2025

Forum

Leserbriefe

Kommentare und Meinungen zu aktuellen Themen der Jüdischen Allgemeinen

 17.12.2025

Zahl der Woche

30 Minuten

Fun Facts und Wissenswertes

 17.12.2025

Musik

Großes Konzert: Xavier Naidoo startete Tournee

Die Synagogen-Gemeinde Köln kritisiert: »Gerade in einer Zeit zunehmender antisemitischer Vorfälle ist es problematisch, Herrn Naidoo eine Bühne zu bieten«

 17.12.2025

"Imanuels Interpreten" (16)

Ethel Lindsey: Queer und funky

Die Französin mit israelischen Wurzeln bringt mit ihrem Debütalbum »Pretty Close« die 70er-Jahre zurück

von Imanuel Marcus  17.12.2025