Finale

Der Rest der Welt

Ja, ja, ich weiß, die jiddische Mamme ist das wandelnde Klischee. Doch es gibt einfach Themen, die nie ausgereizt sind. Vor allem, seit ich selbst Mutter bin, entdecke ich, wie viel Wahrheit in den Stereotypen steckt.

Klischee Nummer eins: Jüdische Mutterliebe basiert auf dem permanent schlechten Gewissen der Kinder. Die jiddische Mamme opfert sich für ihren Nachwuchs auf. Ohne das kann sie ihre Rolle nicht genießen, hat nichts, was sie dem Kind später vorwerfen kann. Man kennt das aus Philip-Roth-Romanen und frühen Woody-Allen-Filmen.

Göre Und aus dem wahren deutsch-jüdischen Leben. Eine Freundin jedenfalls schwört, dass dieser Wortwechsel sich in ihrer Familie tatsächlich so zugetragen hat: Mutter isst Trauben. Kind fragt: »Mama, kann ich auch eine haben?« Antwort Mutter: »Mama hat heute noch gar nichts gegessen, aber macht nichts, iss du ruhig alles auf.« Das arme Gör ahnt natürlich nicht, dass ihm das noch Jahrzehnte später nachgetragen werden wird.

Zur Mamme-Folklore gehört auch, dass die jüdische Mutter zu voller Form aufläuft, wenn es um Ehe und Familie der Kinder geht. Die Partnerwahl übernimmt sie am liebsten selbst, damit nicht, Gott behüte, der Sohn oder die Tochter am Ende jemand Nichtjüdisches ins Haus schleppt. Wobei das noch nicht das Schlimmste ist, was passieren kann. Die wahre Ka-tastrophe bricht aus, wenn, wie in der Familie einer anderen Freundin geschehen, der Sohn sich als schwul outet. Folgende Zitate der Mutter, beteuert die Bekannte, sind authentisch:

1. »Outing? Schmauting! Wir kennen kein solches Wort!«
2. »So was gibt es im Judentum gar nicht!«
3. »Oj wej!« (Haare auf dem Kopf raufend) »Was werden die Leute sagen?«
4. Verzweiflung, Hysterie. Drohung: »Ich bringe dich um. Nein, ich bringe mich um!«
5. (Kurzer Hoffnungsschimmer): »Vielleicht wurdest du nur von diesen gojischen Künstlerfreunden verführt?«

Nach langem Heulen hatte die Mutter sich schließlich halbwegs wieder beruhigt und fragte ihren geouteten Sohn vorsichtig, ob es denn viele von seiner, äh, Sorte auf der Welt gebe. Na ja, sagte der, etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung in allen Ländern – ja, auch in Israel – seien gleichgeschlechtlich orientiert.

»Was?«, reagierte die Mutter ehrlich empört. »So wenige? Und warum muss das dann ausgerechnet mir passieren?«

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Glosse

Das kleine Glück

Was unsere Autorin Andrea Kiewel mit den Produkten der Berliner Bäckerei »Zeit für Brot« in Tel Aviv vereint

von Andrea Kiewel  20.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Ab jetzt nur noch mit Print-Abo oder Es gibt viele Gründe, auf 2026 anzustoßen

von Katrin Richter  20.12.2025

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025