Okay, touché – auch in meiner Küche haben Ruhama und Co. Einzug gehalten. Wenn wir für Schabbat Gäste eingeladen haben und meine Kinder mich im Vorfeld fragen, ob es dann wieder »Ruhama-Essen« gibt, so ist dies wohl das größte aller Komplimente für die israelische Köchin und ihren Insta-Kanal, wo alles »Wow!« ist, nachdem sie ihr selbst gekochtes »Amba Chicken« oder ihren Nektarinensalat gekostet hat. Und das natürlich unmittelbar, bevor Ruhama Shitrit mit ihrem starken israelischen Akzent ihr Publikum freundlich auffordert: »Follow for more!«
Achtung, Suchtgefahr! Diesem Imperativ folgend, habe ich den fatalen Fehler gemacht, die kurzen Kochvideos auch meinen Kindern zu zeigen. Mit dem Resultat, dass sie es selbstverständlich großartig finden, bei erlaubter Bildschirmzeit mit mir zusammen die Videos anzuschauen. Ein großer Genuss für die beiden – bis zu dem Moment, in dem ich zur Spielverderberin mutiere, weil die Bildschirmzeit vorüber ist.
Vorher aber scrollen wir gemeinsam durch alle irakisch-jüdischen Reisgerichte, fleischige One-Pot-Rezepte und Salatkombinationen, deren Geschmack man sich nicht hätte träumen lassen, weil man vorher nie auf die Idee gekommen wäre, gewisse Zutaten zu mischen. Und ja, die Gerichte schmecken – zumindest meistens. Werden die Ptitim mal zu trocken oder die Sauce zu scharf, wird optimiert, ausgetauscht, verändert.
Doch auf eine Vorgabe darf nicht verzichtet werden. Oder wie Ruhama sagt: »You know, it’s a must« – das nasse Backpapier, das zusammen mit großzügig ausgelegter Alufolie die Form bedeckt, bevor man sie in den Ofen schiebt. Dieser »Lifehack« aus der israelischen Küche, der sich via Instagram wie ein Lauffeuer verbreitet hat, macht das Resultat schlussendlich erst zu einem »Ruhama-Gericht«.
Immer wieder nehme ich mir vor, meine Küche umzuorganisieren, damit Ottolenghi & Co. den ihnen gebührenden Platz finden. Und was mache ich? Ich koche nach Instagram.
Die Gewürze duften durch den Handybildschirm hindurch, es ist der Moment, in dem man der Sache erlegen ist. Und ja, die sympathische Frau aus Boston hat recht: »Your family will love it.« Bei jedem weiteren nachgekochten Ruhama-Gericht beschleicht mich allerdings das schlechte Gewissen: Mein Regal quillt über mit Kochbüchern. Immer wieder nehme ich mir vor, meine Küche umzuorganisieren, damit Ottolenghi & Co. den ihnen gebührenden Platz finden. Und was mache ich? Ich koche nach Instagram.
Ich war schon immer beseelt von nahöstlichen Speisen – außer wenn gerade Abendessenszeit ist und sämtliche, sehr jungen Familienmitglieder mir lauthals zu verstehen geben, dass der innere Akku leer ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt realisiere ich, dass ich den falschen Beruf gewählt habe und eigentlich hätte Zauberin werden sollen.
Dann gibt es auch keine Ruhama-Kompositionen, sondern stattdessen müssen Pasta und ähnliche Gerichte auf den Tisch. Und im Handumdrehen werde ich durch und durch Schweizerin, serviere Apfelwähe, koche Riz Casimir à la minute – oder es gibt einfach nur Brot und Käse. Aber jetzt wird es Zeit, dass ich in die Küche gehe und Reste aufwärme. Ruhama-Reste vom Wochenende, versteht sich.