Wie oft musste ich schon ein erstauntes »Oh!« oder gar ein naserümpfendes »Wie kannst du nur?« über mich ergehen lassen, wenn ich meinem Umfeld erzählt habe, dass ich frühmorgens meinen israelischen Instant-Kaffee trinke. Ja, genau dieser von »Elite« aus der roten Dose mit den braunen Kaffeebohnen darauf. Der Kaffee, der mir auch in der allergrößten Hitze von meiner Familie in Israel serviert wird, in einem durchsichtigen Teeglas wohlgemerkt, und der in mir selbst im tiefsten Alltag einen Hauch von »ejn baʼaja« (»kein Problem«) aufsteigen lässt. Der Bruchteil eines Moments, wo die Welt in Ordnung zu sein scheint, bevor die ersten Meldungen des Tages über die Newsportale reingespült werden.
Die vergangenen zwei Jahre waren alles andere als »ejn baʼaja«, weder für die Menschen in Israel noch für die jüdische Gemeinschaft in der Diaspora. Kaffeetrinken half da kaum mehr. Immer wieder der Gedanke an die Geiseln und das Wissen da-rum, dass viele Familien nie mehr komplett sein werden. Und doch änderte sich etwas am 13. Oktober. Es kam Hoffnung auf – und mit ihr die Freude.
Diese Leichtigkeit fühlend, empfinde ich diesen Herbst als doppelt schön.
Eine Freude, an die kaum mehr jemand zu glauben wagte und die so lange geschlummert hatte, arbeitete sich Schicht für Schicht hervor, bis sie sich schließlich bei vielen Menschen in Gänsehaut, Tränen und Umarmungen äußerte. Selbst wenn es nur ein Moment des Glücks war, der sich ausbreitete, weil von einem richtigen Frieden nicht die Rede sein kann, weil sich der 7. Oktober vom Massaker in ein kollektives Trauma mit Langzeitfolgen verwandelt hat, weil sich die Situation für Jüdinnen und Juden auf der Welt auch durch die Rückkehr der Geiseln nicht verändert hat – ich spürte eine Leichtigkeit. In einer ungeahnten Form, sehr wackelig und undefinierbar, und sie dauert irgendwie noch an.
Diese Leichtigkeit fühlend, empfinde ich diesen Herbst als doppelt schön. Auch wenn jedes Jahr die Bäume in ihrem goldenen Herbstkleid um die Wette strahlen, auch wenn jedes Jahr die ersten kalten Tage kaum zum Aushalten sind – dieses Jahr ist es irgendwie anders. Nein, es ist nicht die langersehnte Kürbissuppe, deren Überdosis man im November schon erleidet. Es ist auch nicht der Nebel, der sich vordergründig poetisch gibt, um sich dann nur hässlich über die Stadt zu legen. Und am wenigsten ist es das Zwölfstundengrau, das niemand in den Sommermonaten vermisst hat.
In diesem Herbst lautetet das Motto: No filter needed
Es ist vielmehr dieser zögerliche Neuanfang, der vielleicht gar etwas illusorisch ist, gemessen an den anhaltenden Negativschlagzeilen, und der nun schüchtern hervorlugt. Gerade dieser Herbst hilft mit, prompt jene Jahreszeit, für die es natürlich tausend Gründe gibt, sie zu lieben oder zu verabscheuen, diese neue Leichtigkeit – oder nennen wir sie lieber Behaglichkeit – wohlwollend einzurahmen, vielleicht sogar zu befestigen.
Der vergangene Sonntag war einer dieser Tage, an dem das Licht die allerschönsten Bilder hervorbrachte – no filter needed. Wir trafen uns draußen mit Freunden. Während die Kinder herumrannten und spielten, tranken wir Kaffee aus der Thermoskanne. Es war der beste Kaffee seit Langem, es war aufgebrühter Instant-Kaffee von »Elite« – und irgendwie war alles »ejn baʼaja«.