Glosse

Der Rest der Welt

Foto: Getty Images

Glosse

Der Rest der Welt

Keine Termine und leicht einen sitzen?

von Beni Frenkel  15.02.2023 12:41 Uhr

Ich habe ein kleines Trinkproblem. Ich trinke zu viel. Wein, Bier, Schnaps. Angefangen hat es in der Jeschiwe. Genauer gesagt, an Purim. In Fünfergruppen zogen wir von Haus zu Haus und sammelten Geld für unsere verehrten Rabbiner.

In den Wohnungen erwartete uns ein gedeckter Tisch mit Wein, Bier, Schnaps. Ich war damals 15 und nach dem Bettelgang so was von stockbesoffen, dass ich mich nackt auszog und im Garten eines edlen Spenders die Nacht verbrachte. So haben es mir Freunde erzählt.

minibar Ich habe eine hübsche Minibar. Und im Keller habe ich noch mehr Flaschen. Am liebsten trinke ich Rotwein, gefolgt von Whiskey, Cognac, Bier und Schnaps. Weißwein mag ich gar nicht.

Am Schabbat trinke ich Rotwein. Wenn Besuch kommt, zeige ich stolz meine Minibar. Ich weiß, das ist heutzutage nicht mehr so gefragt. Aber ich kann zu jeder Flasche eine Geschichte erzählen. Und wenn ich bereits einen Schwips habe, fallen mir noch mehr Storys ein. Was mich von einem richtigen Alkoholiker unterscheidet, ist meine Übersicht.

Wenn ich traurig bin, trinke ich einen Whiskey, in lustigen Momenten einen Schnaps.

Ich trinke nicht einfach die vorderste Flasche leer, sondern wähle gezielt aus. Wenn ich traurig bin, trinke ich einen Whiskey, in lustigen Momenten einen Schnaps. Und wenn mir eine Kolumne gut gelungen ist, belohne ich mich mit zwei Gläsern Rotwein. Das Leben ist sehr vielfältig. Leider habe ich nicht für alle Gemütslagen die passende Flasche.

wunderrabbi Darum habe ich einer jüdischen Wohltätigkeitsorganisation 180 Schekel gespendet. Dafür gehen drei hochdekorierte Rabbiner aus Israel nach Marokko und beten am Grab eines Wunderrabbis. Nach dem Beten füllen die drei Rabbiner Hunderte Schnapsflaschen ab. Da jede Flasche von den Rabbinern kurz berührt wird und sie vor dem Grab des Wunderrabbis kurz herumstehen, sind die Schnapsflaschen natürlich etwas Besonderes.

So etwas gibt es nicht bei Aldi. Übrigens, es wird zusätzlich das Schofar geblasen. Man soll die Flaschen an einem sicheren Ort aufbewahren, sagen die Rabbiner und Organisatoren.

Zum Beispiel in einer Minibar. Sobald ein Wunder eintritt, soll man die Flasche aufmachen und leer trinken. So ganz Sinn ergibt der letzte Abschnitt nicht. Sie vermuten richtig: Der Autor hat schon etwas intus.

Theater

Metaebene in Feldafing

Ein Stück von Lena Gorelik eröffnet das Programm »Wohin jetzt? – Jüdisches (Über)leben nach 1945« in den Münchner Kammerspielen

von Katrin Diehl  09.11.2025

Aufgegabelt

Mhalabi-Schnitzel

Rezepte und Leckeres

 09.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  09.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  08.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  08.11.2025

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025