Finale

Der Rest der Welt

Die Wanne ist voll ... er Bildung. Foto: Getty Images

In der Jeschiwa wurde ich häufig »Batlan« genannt. Ich wusste lange nicht, was dieser Name bedeutet. Irgendwann klärte mich ein Mitschüler auf. Ich sei ein Müßiggänger, ein Faulenzer, ein Schlendrian. Diese drei Ausdrücke werden einem Batlan aber nicht ganz gerecht. Für die Auszeichnung muss man bis zehn Uhr schlafen, beim Vortrag einnicken und den Nachmittag mit Kaffee und Dösen verbringen. So einer war ich leider.

Seit damals sind 30 Jahre vergangen. Was ich in der Jeschiwa gelernt habe, ist längst vergessen. Ich weiß nicht einmal, wie die Rabbiner hießen, die mich in den Schlaf redeten. Aber den Ausdruck »Batlan« habe ich nicht vergessen. Heute bin ich ein »Anti-Batlan« und richte mein Leben so aus, dass kein Augenblick ungenutzt verstreicht. In der Straßenbahn lese ich zum Beispiel eine gescheite Zeitung, auf der Toilette ein Witzebuch, beim Essen einen Comic. Meine Rabbiner wären stolz auf mich.

entleerungsschieber Sogar in der Badewanne versuche ich, mich weiterzubilden. Ich lese dort immer das Große Duden – Bildwörterbuch aus dem Jahr 1958. Kennen Sie das Buch? Da sind lauter Bilder drin. Zum Beispiel »Wasserversorgung«. Mit der Legende lerne ich alles über Wasserversorgung. Es gibt zum Beispiel einen Rammbrunnen, eine Quellstube und einen Entleerungsschieber. Wüssten das meine Rabbiner?

Seit ich mich auch in der Badewanne fortbilde, betrachte ich die Welt mit ganz anderen Augen.

So richtig praktisch ist das Große Duden – Bildwörterbuch nicht. Es lässt sich schwer 20 Minuten lang in den Händen halten. Und so viel Körperpflege muss sein! Das dicke Buch ist mir schon zweimal ins Wasser gefallen. Seit ich mich aber auch in der Badewanne fortbilde, betrachte ich die Welt mit ganz anderen Augen. Wenn ich auf der Straße einen Friseurladen sehe, erinnere ich mich an die entdeckten Gegenstände, die man vielleicht auch in einem Operationssaal wiederfinden würde: Brennschere, Antiseptikum, Halskrause und Glycerin.

wasserversorgung Ich behaupte nicht, eine Ahnung von Wasserversorgung oder einem Friseurladen zu haben. Aber ich weiß zumindest, wie die Dinge aussehen. Manchmal bin ich aber traurig, dass ich nicht länger auf der Jeschiwa gelernt habe. Manchmal bin ich auch glücklich. Nichts gegen den Talmud, aber nur Talmud? Das Leben da draußen ist doch so vielfältig!

Mein Großer Duden – Bildwörterbuch benötigt allein für die Nennung sämtlicher Büro-Utensilien acht Seiten! Es gibt einen Vormerkkalender, eine Sichtzunge, eine Stapelbacke und eine Antriebskurbel. Die fehlte mir in den Jugendjahren. Heute fülle ich jede Minute in meinem Leben mit Sinnvollem aus. Na, wer ist jetzt der Batlan? Ich sicher nicht.

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

London

Kneecap und Massive Attack wollen andere israelfeindliche Bands unterstützen

Einige der Initiatoren einer neuen Initiative verherrlichten den palästinensischen und libanesischen Terror auf der Bühne. Andere verglichen das Vorgehen Israels gegen die Hamas mit dem Holocaust

von Imanuel Marcus  18.07.2025

Darmstadt

Literaturpreise für Dan Diner und Ilma Rakusa

Diner habe die Geschichte des Judentums immer wieder als »Seismograph der Moderne« verstanden, begründete die Jury die Wahl

 18.07.2025

Nachruf

Nie erschöpfter, unerschöpflicher Herrscher des Theaters

Claus Peymann prägte das Theater im deutschen Sprachraum wie nur wenige andere. Nun ist er in Berlin gestorben. Erinnerungen an einen Giganten der Kulturszene

von Christian Rakow  18.07.2025

Kulturpolitik

Weimer sieht autoritäre Tendenzen im Kulturbetrieb

Attacken auf das weltberühmte Bauhaus und steigende Judenfeindlichkeit: Nach Einschätzung von Kulturstaatsminister Weimer steht der Kulturbetrieb zunehmend unter Druck

von Katrin Gänsler  18.07.2025

Tournee

Bob Dylan auf drei deutschen Bühnen

Das Publikum muss sich bei den Vorstellungen der lebenden Legende auf ein Handyverbot einstellen

 18.07.2025

Marbach

Israelische Soziologin Eva Illouz hält Schillerrede

Illouz widme sich dem Einfluss wirtschaftlichen Denkens und Handelns und greife damit Widersprüche kulturgeschichtlich auf, hieß es

 17.07.2025

Musik

1975: Das Jahr großer Alben jüdischer Musiker

Vor 50 Jahren erschienen zahlreiche tolle Schallplatten. Viele der Interpreten waren Juden. Um welche Aufnahmen geht es?

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  17.07.2025 Aktualisiert